„Je mehr Futter, desto dickere Kühe“ oder „Weniger Herzinfarkte durch Diktatorensterben“
Korrelation und Kausalität treten in der Öffentlichkeit gerne als eineiige Zwillinge auf: Wer die beiden nicht näher kennt, verwechselt sie schnell. Dabei sind sie recht einfach am Verhalten zu unterscheiden:
Korrelation heißt nichts anderes als „Wechselbeziehung“ – Beschreibt also eine Beziehung zwischen zwei oder mehreren Merkmalen, Ereignissen oder Zuständen. Oder einfacher ausgedrückt:
„Je mehr Futter, desto dickere Kühe.“
Allerdings beschreibt eine Korrelation nie die Ursache. Zum Beispiel darf man aus einem hohen Heizölverbrauch im Winter nicht schließen, dass ein erhöhter Heizölverbrauch zu einer Schneelandschaft führt. Erst durch eine dritte Größe wird die Ursache klar und damit ein „kausaler Zusammenhang“ hergestellt: Bei dem Heizölbeispiel wäre das die sinkende Temperatur, welche Schneefall begünstigt und gleichzeitig dazu führt, dass Menschen ihre Wohnungen heizen.
Mittlerweile hat sich der „durchschnittlich aufgeklärte Bundesbürger“ daran gewöhnt, dass Politik und Presse aus scheinbar unschuldigen Korrelationen plötzlich erwachsene Kausalitäten züchten. Zwei Beispiele sind:
„Größere Leute verdienen mehr“ [1]
„Arbeitslose sterben früher“ [2]
Ein weiteres schönes Beispiel sind die, in den letzten Jahren immer wieder verbreitete Meldung, dass seit der Einführung der Nichtraucherschutzgesetze, die Anzahl der Herzinfarkte drastisch zurückgegangen sei. Expemplarisch will ich hier eine Meldung vom Anfang des Jahres 2012 nennen:
„Weniger Herzinfarkte durch Rauchverbote“ [3, 4]
Ursache für diese Meldung war eine von der DAK in Auftrag gebene Studie [5], in welcher sich die Studienautoren die Kosten und Häufigkeit von Herzinfarkten und der Vorstufe „Brustenge/Herzschmerz“ (Angina Pectoris) anschauten und in Zusammenhang mit der Einführung der Nichtraucherschutzgesetze betrachteten.
Dazu nahmen sie die Versicherungsdaten von Personen die mind. 30 Jahre alt waren und zwischen dem 01. Januar 2004 bis zum 31. Dezember 2008 durchgehend versichert waren. Aus diesen Daten wurde ermittelt wie viele von diesen Personen durchschnittlich pro Monat wegen einem Herzinfarkt und/oder Angina Pectoris in ein Krankenhaus eingeliefert worden sind. Dann hat man sich einen „Zeitpunkt X“ herausgesucht und die Daten vor und nach diesem Zeitpunkt verglichen. Der „Zeitpunkt X“ war nichts anderes als die Einführung des Bundesnichtraucherschutzgesetzes Mitte 2007. [6]
Aus diesem Vergleich wurde dann der Zusammenhang gezogen, dass es seit der Einführung der Rauchverbote viel weniger Herzinfarkte gegeben habe.
Die Studie und letztendlich die Medien verschweigen jedoch bei dem Vergleich der Zahlen vorher/nachher etwas wichtiges: Sowohl die absolute Anzahl der Sterbefälle infolge eines Herzinfarktes als auch die relative Häufigkeit sind in Deutschland schon länger stetig rückläufig!
Jahr | Tote durch Herzinfarkt |
---|---|
2000 | 67.282 |
2001 | 65.228 |
2002 | 64.218 |
2003 | 64.229 |
2004 | 61.736 |
2005 | 61.056 |
2006 | 59.938 |
2007 | 57.788 |
2008 | 56.775 |
Diese rückläufigen Zahlen kann man sowohl dem „Herzbericht 2010“ [7] und dem „DAK Gesundheitsreport 2012“ entnehmen:
„Bereits seit längerem ist bekannt, dass das Risiko, einen Herzinfarkt zu erleiden, in Deutschland und anderen Industrieländern in den letzten 30 Jahren insgesamt abgenommen hat.“ [8-Seite 37]
Während die Autoren der „DAK-Studie“ anführen, dass die von ihnen genannten positiven rückläufigen Zahlen schwächer als in vergleichbaren Studien ausfallen, die Studie damit in Bereich „nettes Zahlenspiel“ rückt – Konstruieren die Medien daraus die oben genannte Schlagzeile, welche dann auch gleich Flächendeckend verbreitet wird.
Aber Deutschland ist mit den Nachrichten über die wundersamen Rückgänge der Herzinfarkte, seit der Einführung von Nichtrauchschutzgesetzen, nicht alleine. Dieses Zahlenspiel wurde auch andernorts der Bevölkerung präsentiert. Um hier drei Beispiele zu nennen:
England 2007: University study shows fall in heart attacks
Amerika 2010: Heart attacks fall after restaurant smoking ban
England 2010: Short term impact of smoke-free legislation in England
Zu Wissenschaftlich? Dann schaue sich der geneigte Leser die folgende Grafik an, welche aus den Daten der englischen Studie von 2010 generiert wurde:
Sehen SIE den brachialen Abstieg der Herzinfarktrate nach dem Rauchverbot 2007?
Nein? Gut, ich dachte nämlich schon, dass ich eine neue Brille benötigen würde…
Das ganze ist also keine deutsche Erfindung – Auf die Idee sind andere, schon viel früher, gekommen. Allerdings auch dort mit den selben auffälligen Schwächen in der Zahlenkonstruktion. Und auch „dort“ wurden diese Zahlenspielereien stark kritisiert. [9]
Meine abschließende Frage ist: Was für eine Schlagzeile würde uns erwarten, wenn die Autoren der Studie als Zeitpunkt X den 10. September 2006 und damit das Sterbedatum des chilenischen Diktators Augusto José Ramón Pinochet genommen hätten?
„Weniger Herzinfarkte durch Diktatorensterben“??
Fakt ist: Die Schlagzeile wäre zumindest für einen Lacher gut gewesen!
Update 25.11.2014
Mittlerweile wurden diese „Herzinfarktwunder“ einer reputablen Betrachtung unterzogen: Laut P. Basel und Kollegen existiert kein Zusammenhang zwischen den gesunkenen Herzinfarktraten und der Einführung von Nichtraucherschutzgesetzen.
Freundlichst,
Rursus
Quellen
[1] Stern.de: Größere Leute verdienen mehr
[2] WAZ.de: Arbeitslose sterben früher
[3] Focus.de: Weniger Herzinfarkte durch Rauchverbote
[4] DAK-Studie belegt: Nichtraucherschutzgesetze retten Leben
[5] DAK-Studie: Nichtraucherschutzgesetze in Deutschland und Krankenhausaufnahmen aufgrund von Angina Pectoris und akutem Herzinfarkt
[6] Gesetze im Internet.de: Bundesnichtraucherschutzgesetz
[7] Ernst Bruckenberger: Herzbericht 2010
[8] DAK: Gesundheitsreport 2012
[9] Prof. Dr. Michael Siegel: Scottish Smoking Ban Study is Example of Science by Press Release
Ingolf Pärcher
9. August 2013 - 15:50
Das mit den Schockbildchen auf den Zigarettenschachteln stinken auch gewaltig nach „Deal“.
Ihre Wirksamkeit ist keineswegs erwiesen, weil sie immer parallel zu Steuererhöhungen eingeführt wurden, da haben wir noch so ein verdächtiges Zwillingspäärchen.
Aus meinen eigenen Beobachtungen, die natürlich nicht statistisch relevant sind, ist es sogar ein Hobby Halbstarker, ihre Mitbringsel aus dem Urlaub zu tauschen, so tausche türkische Teerlunge gegen australisches Raucherbein.
Der Witz ist, daß sich kein Jugendlicher davon vom Rauchen abhalten ließ. Eher würde ich das Gegenteil schätzen. Auch die Einschiebekärtchen, die die Schockbilder verdecken, werden getauscht.
Das mit den Zusatzaromen kann einfach geschmissen werden, die Leute werden schon noch drauf kommen, daß man sowas weiter einfach kaufen kann und ein paar Tropfen genügen, daß die Zigarette nach Himbeere oder Menthol schmeckt. Ob das gesünder ist?
Bezweifle ich mal pauschal, das Zeug ist nicht zur Verbrennung gedacht.
Ist ein Ähnlicher Unfug wie bei der Feinstaubverordnung, die sowieso nicht zur Anwendung kommt.
*head meets table*
Nansy
13. August 2013 - 7:40
@Ingolf Pärcher,
Schockbilder auf Zigarettenschachteln sind ja nicht das Ende der Fahnenstange – Gesundheitsfanatiker und ihre wissenschaftlichen Helfershelfer hören ja mit ihren Umerziehungsmaßnahmen nicht beim Rauchen auf…
Kanadische Ärzte fordern Schockbilder auf Pizza-Kartons und Softdrink-Dosen.
Australische „Experten“ beraten über Schockbilder und neutrale Einheitsverpackungen für „ungesunde“ Lebensmittel.
Neuseeländische „Experten“ bearaten über neutrale Einheitsverpackungen für alkoholische Getränke…
Bei Interesse kann ich die Links für diese Meldungen angeben.
Auch wenn die Zeit für die Umsetzung dieser Vorstellungen noch nicht reif ist, wenn sich die Leute nicht langsam anfangen zu wehren, dann wird es munter weitergehen….
Uwe
13. Januar 2014 - 11:24
Hallo,
man darf bei aller Freude über sinkende Herzinfarktraten und eventuellen Zusammenhängen zu fragwürdigen Gesetzen nicht vergessen, das sich die medizinische Versorgung der Menschen die einen Herzinfarkt erleiden in den letzten Jahren und Jahrzehnten auch wesentlich verbessert hat.
Die schon im Notarztwagen zum Einsatz kommende Lyse, oder das einbringen von Stents in die verschlossenen Gefäße innerhalb von 120 Minuten, usw. und usw.
Traue nie einer Studie die du nicht selbst erstellt hast.
Gruß
Uwe
Rursus
14. Januar 2014 - 23:20
Nichts anderes habe ich doch im Artikel geschrieben, oder?