Wenn man ausgeatmete Luft mit Passivdampf vergleicht

Update 01. September 2014:

In der Zwischenzeit bin ich über die Studie „Human Breath Emissions of VOCs“ von Fenske und Paulson gestolpert. Diese ist im Detail sehr Lesenswert, da sie aufzeigt, dass die immer wieder gemessenen Stoffe im E-Zigarettendampf ganz normale Stoffwechselprodukte sind, die jeder Mensch „einfach so“ ausatmet.

Weiter mit dem ursprünglichen Beitrag vom 02. März 2013:

Lebendige Menschen atmen – Das weiß jeder!

Was nun nicht jeder weiß ist, dass der Mensch beim Einatmen nicht nur den Sauerstoff aus der Atemluft zieht, sondern die Luft beim Atemvorgang mit diversen Stoffen anreichert und beim Ausatmen an die Umwelt abgibt.
Die Stoffe, die beim Ausatmen in die Luft abgegeben werden, sind Zwischenprodukte beim Menschlichen Stoffwechsel. Der Fachbegriff für so ein Zwischenprodukt ist „Metabolit„.

2003 veröffentliche die Wissenschaftlerin Dr. Ann Diskin (Keele Universität, England) eine Studie, die sich mit den ausgeatmeten Metaboliten von Menschen beschäftigt.
Für die Studie wurden „Atemproben entnommen und in den frühen Morgenstunden bei der Ankunft im Labor analysiert.“ [1]

Diese Informationen behalten wir vorerst im Hinterkopf und kommen erst mal zu einer anderen Studie:

2012 veröffentlichen die Wissenschaftler Dr. Schripp und Dr. Salthammer (Fraunhofer Gesellschaft – WKI) eine Studie über den Dampf, den ein EZigarettenkonsument von sich gibt. In dem Versuchsaufbau wurde der ausgeatmete Dampf in einer 8 Kubikmeter (m3) grossen Kammer aufgefangen und anschließend auf seine Komponenten untersucht. [2]

In der Studie von Dr. Schripp „Does e-cigarette consumtion cause passive vaping“ wird in der Tabelle 4 (Seite 28) aufgelistet, was für Stoffe und welche Mengen gefunden wurden. Die einzigen erhöhten Werte waren die Stoffe:

Aceton
Isopren
Acetaldehyd
Formaldehyd
Essigsäure
Butanon

Die gefundene Menge dieser (giftigen) Stoffe war ungefähr vergleichbar mit 20% der Menge, die eine Tabakzigarette an die Luft abgibt.

Nun liest man immer wieder in der Presse, dass das Fraunhofer Institut diese Studie durchgeführt und damit bewiesen hat, dass es so etwas wie „Passivdampf“ gibt, der in relevanten Mengen an die Luft abgegeben wird.

Das klingt besorgniserregend und wurde z.B. auch bei der Expertenanhörung zur geplanten neuen EU-Tabakdirektive zum Thema gemacht. [3]

Erheiternd sind die Forschungsergebnisse des Fraunhofer Institut allerdings, wenn man sie mit den Ergebnissen von Dr. Ann Diskin vergleicht. Wie eingangs erwähnt, hat Dr. Diskin die Ausatemtluft von Menschen untersucht. Dazu wurden „Atemproben entnommen und in den frühen Morgenstunden bei der Ankunft im Labor analysiert.“

Ich betone das nochmal: Es ging also um die pure Ausatemluft von Menschen (Nichtraucher/Nichtdampfer!) am frühen Morgen!

Hier nun der Vergleich der Ergebnisse der Studien von Schripp et al. (ausgeatmeter EZigarettendampf) und Diskin et al. (ausgeatmete pure Luft) :

Aceton
Schripp et al. haben Konzentrationen von 25 Mikrogramm/m3 Aceton (das sind 10.39 PPB – Parts per Billion) gemessen.
Diskin et al. haben in der Ausatemluft Konzentrationen von 293-870 PPB gemessen.

Isopren
Schripp et al. haben Konzentrationen von 10 Mikrogramm/m3 Isopren (das sind 3.54 PPB) gemessen.
Diskin et al. haben in der Ausatemluft Konzentrationen von 55-171 PPB gemessen.

Acetaldehyd
Schripp et al. haben Konzentrationen von 3 Mikrogramm/m3 Acetaldehyd (das sind 1.64 PPB) gemessen.
Diskin et al. haben in der Ausatemluft Konzentrationen von 2-5 PPB gemessen.

Formaldehyd
Schripp et al. haben Konzentrationen von 0.016 mg/m3 Formaldehyd gemessen.
Obwohl Dr. Schripp dies in seiner Studie nicht erschöpfend thematisiert, hat das Fraunhofer Institut immerhin in seiner Pressemitteilung zu der Studie klargestellt: „Formaldehyd wird nicht freigesetzt“. [5] Und auch in der Studie verweisen Schripp et al. auf die Möglichkeit, dass die Ausatemluft des Menschen vermutlich dafür verantwortlich ist [2 – Seite 28] :

This might be caused by the person in the chamber itself, because people are known to exhale formaldehyde in low amounts (Riess et al., 2010) and the increase was already observed during the conditioning phase (Fig-ure 2).

[…]

The rising concentrations of acetic acid and acetone during e-cigarette operation may also be attributed to the metabolism of the consumer.

Schripp et al. schreiben also in der Studie davon, dass die Stoffe Formaldehyd, Aceton und Essigsäure (acetic acid) vermutlich von dem Menschen und nicht vom EZigaretten-Dampf stammen! Der Wissenschaftler Dr. Salthammer, welcher Schripp bei seiner Studie unterstütze, hätte genau wissen müssen woher diese 0.016mg/m3 Formaldehyd kommen – Immerhin hat er 2010 eine Studie veröffentlicht, in der steht, dass dieser Stoff in genau dieser Konzentration vom Menschen ausgeatmet wird! [4]

 

Ergo:

Wenn man also nur auf diese vier Stoffe schaut, dann sind Dritte in größerer Gefahr wenn sie die ausgeatmete Luft von Nichtraucher und Nichtdampfern einatmen.

In der Studie von Schripp et al. ist also nur ein Stoff, welche Bedenken aufwirft, da er nicht ungefährlich ist und nachweislich nicht vom Menschlichen Organismus stammt: Butanon (engl. 2-Butanone od. MEK)
Butanon wird vorwiegend als Lösungsmittel verwendet ist in höherer Konzentration giftig (LD50 oral Ratte – 2737 mg/kg).

Schripp et al. haben in ihrem Versuchsaufbau Konzentrationen von 0.002 mg/m3 Butanon gemessen.

Die maximale Arbeitsplatz-Konzentration (MAK) und damit die maximal zulässige Konzentration eines Stoffes als Gas, Dampf oder Schwebstoff in der (Atem-) Luft am Arbeitsplatz, bei der kein Gesundheitsschaden zu erwarten ist, auch wenn man der Konzentration in der Regel 8 Stunden täglich, maximal 40 Stunden in der Woche ausgesetzt ist, von Butanon beträgt 200 ml pro m3 oder 600 mg pro m3. [7]

Damit lag der Messwert von Schripp et al. 100.000 (EINHUNDERTTAUSEND) mal niedriger als der erlaubte MAK-Wert.

Nach den vorliegenden Daten von Schripp et al. könnten also über 100.000 Menschen gleichzeitig für knapp 90 Minuten eine EZigarette benutzen und der Gesetzlich zulässige Maximalwert für EINEN Kubikmeter Luft wäre immer noch nicht überschritten.

Das klingt in der Tat, nach einem Gesundheitlich sehr bedenklichen Produkt, oder?

Zusammenfassend
Da Dr. Schripp es leider unterlassen hat eine Leerwertmessung , (also einfach einen Menschen in die 8 m3-Kammer atmen zu lassen, dies zu messen und diese Messdaten letztendlich von der Probenmessung abzuziehen) durchzuführen, konnte er im zusammenfassenden Schlußwort seiner Studie nur die Gesamtergebnisse darlegen. Daraus die Gesamtdaten des „Passivdampf“ zu schlussfolgern, würde auf jeden Fall zu weit gehen.

Letztendlich kann uns die Studie von Dr. Diskin helfen, die tatächlichen Exhalationsprodukte zu identifizieren. Und das bedeutet: Die relevanten toxischen Stoffe wurden hier zweifellos vom Menschen und nicht durch die EZigarette produziert und sind ohnehin in einem derart niedrigen Bereich, dass sie keinerlei Gesundheitliche Bedenken aufwerfen.

Wenn man alle wissenschaftlichen Daten berücksichtigt, dann sagt die WKI-Studie nur eins aus:

Ein Großteil der von Schripp et al. gefundenen Stoffe sind ganz normale Stoffwechselprodukte, die jeder lebende Mensch beim Atemvorgang produziert. Dazu kommt, dass diese Stoffe in einer sehr geringen Menge vorhanden sind – Einer geringen Menge von der normalerweise keine Gefahren ausgehen. Was übrigens auch durch eine Studie von T.R. McAuley bestätigt wird, welcher sich 2012 ebenfalls mit dem Dampf von EZigaretten befasst und diesen einer Risikoanalyse unterzogen hat und letztendlich zu dem Ergebnis kommt:

„Bei allen gemessenen Nebenprodukten, verursachen E-Zigaretten im Vergleich zur Tabakzigarette sehr kleine Belastungen. Diese Studie zeigt, dass von den hier analysierten Verbindungen der E-Zigarette keine erkennbare Gefahr für die menschliche Gesundheit ausgeht.“ [7]

Sollte wirklich jemand aufgrund dieser Daten Alarm schlagen und ein Verbot der EZigarette befürworten, dann sollte demnächst über eine Gefahr von „Drittatmern“ und ein „Passivatmer-Verbot“ nachgedacht werden.

Stirnrunzelnd

Rursus

P.S. Sollte sich jemand wundern, warum in der WKI-Studie bei dem ausgeatmeten EZigarettendampf kein Nikotin und Propylenglykol gefunden wurde: Nikotin und Propylenglykol (anderer Name: 1,2-Propandiol werden von der Lunge nahezu vollständig resorbiert . Genauer gesagt wird Nikotin zu 98% [8] und Propylenglykol zu fast 100% resorbiert.[9] – Aus diesem Grund konnte nahezu nichts davon in der Ausatemluft nachgewiesen werden.

Quellen

[1] http://hero.epa.gov/index.cfm?action=reference.details&reference_id=989514
[2] http://onlinelibrary.wiley.com/doi/10.1111/j.1600-0668.2012.00792.x/pdf
[3] http://www.youtube.com/watch?v=yCi9Jb4rDl4
[4] http://www.ncbi.nlm.nih.gov/pmc/articles/pmc2855181/
[5] http://www.fraunhofer.de/de/presse/presseinformationen/2012/dezember/elektronische-zigarette-auf-dem-pruefstand.html
[6] http://www.alfa.com/de/GS220W.pgm?task=5002&1257=207090324
[7] http://informahealthcare.com/doi/abs/10.3109/08958378.2012.724728
[8] Respiratory retention of nicotine and urinary excretion of nicotine and its five major metabolites in adult male smokers.
[9] Method of measuring the total deposition efficiency of volatile aerosols in humans

Update 05. März 2013:
Studie eingefügt:  T.R. McAuley et al. „Comparison of the effects of e-cigarette vapor and cigarette smoke on indoor air quality“, publiziert in Inhalation Toxicology, Vol. 24: Seiten 850-857

Update 22. Juli 2013
Den Nebensatz „The rising concentrations of acetic acid and acetone during e-cigarette operation may also be attributed to the metabolism of the consumer.“ aus der Studie von Schripp et al. in den Artikel eingearbeitet, mit diesem äußert Schripp die Wahrscheinlichkeit, dass die gefundene Essigsäure (acetic acid) und das Acetone ebenfalls vom Menschen metabolisiert wurden und _nicht_ von dem Dampf stammen.

Comments

  1. Absolut korrekter und sehr gut geschriebener Artikel, Respekt. Sollte an die weitergeleitet werden, die letztendlich über die Tabakrichtlinie entscheiden müssen. Aber dieses Ergebnis setzt meiner Meinung nach auch die Einstufung der Liquidvernebler in das Nichtraucherschutzgesetz in NRW außer Kraft. Müssten sich nur die geeigneten Kläger finden.

    LG
    Daniel

    • Vielen Dank!
      Ein Kläger müsste sich eigentlich finden lassen. Es braucht ja nur einer mit großem Brimborium (also mit Presse und Anwalt) zum Landtag zu gehen und dann dort im schönsten Nichtraucherbereich ein paar mal an einer EZigarette ziehen 😀

      • Dann wird man aber vermutlich nur durch das Hausrecht vor die Tür gesetzt, es verlangt schon ein Bußgeld um rechtliche Schritte einzuleiten und das wird wohl kaum jemand verhängen ohne Rechtsgrundlage.

  2. Toller Artikel!

    Das macht mut und berhuhigt zugleich.
    Wer da noch probleme mit den eZigaretten hatt, der hatt andere probleme 😉

    Also gut dampf an alle eZigaretten-Liebhaber 🙂

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