Wer A sagt, der muß nicht B sagen. Er kann auch erkennen, daß A falsch war.

Man mag von Bertolt Brecht halten was man will, dieses Zitat von ihm ist jedoch an Klarheit und Wahrheit nicht leicht zu übertreffen.

Wenn man merkt, dass man einen Fehler gemacht hat – sollte man einen Schritt zurücktreten und von vorne Anfangen. Fehler sind nichts schlimmes! Ich bin sogar der Auffassung, dass Fehler dazu führen, dass das gewünschte Endergebnis besser wird. Jedoch muss man den Fehler auch erkennen bzw. den Mut haben, einen Fehler auch zu sehen.

Wenn man sich den Vorschlag der geplanten neuen Tabakrichtlinie der EU anschaut, kann man den einen oder anderen Fehler erkennen. [1] Und tatsächlich: Zur Zeit wird in den EU- Ausschüssen eingehend diskutiert!

Es wurde viel über die „4 mg-Grenze bei EZigarettenliquids“ geschrieben und sogar eine Petition ins Leben gerufen, welche bis heute knapp 21.000 Menschen unterschrieben haben. [2] Ich will die ganzen Argumente die sich letztendlich um „damit wird die EZigarette bis zur Nutzlosigkeit kastriert“ drehen, hier gar nicht wiederholen – sondern will auf einen ganz simplen Punkt aufmerksam machen:

Der Absatz, dass EZigaretten bzw. die Liquids über 4 mg Nikotin als Arzneimittel zugelassen werden müssen läuft der EU-Gesetzgebung und der gängigen EU-Rechtssprechung entgegen. Oder ganz einfach ausgedrückt:

Diese Regelung verstößt gegen das EU-Recht!

Bereits beim Verfassen des Papiers hätte dem einen oder anderen auffallen müssen, dass hier eine Regelung getroffen wird – die dem Gemeinschaftskodex für Humanarzneimittel – Richtlinie 2001/83/EG – nicht entspricht. Und genau bei solchen Dingen… Dingen die Peinlich werden könnten… Sollte ein EU-Abgeordneter genauer hinschauen…

Was ich damit meine, wird schnell klar, wenn man sich die Definition für ein „Arzneimittel“ gem. der Richtlinie 2001/83/EG durchliest:

Arzneimittel:
(a) Alle Stoffe oder Stoffzusammensetzungen, die als Mittel zur Heilung oder zur Verhütung menschlicher Krankheiten bezeichnet werden;
(b) Alle Stoffe oder Stoffzusammensetzungen, die dazubestimmt sind, im oder am menschlichen Körper zur Erstellung einer Ärztlichen Diagnose oder zur Wiederherstellung, Besserung oder Beeinflussung der menschlichenphysiologischen Funktionen angewandt zu werden, gelten ebenfalls als Arzneimittel.

Kurz zur Erklärung der beiden Sätze

(a) Jemand (ein Hersteller) behauptet, dass ein Produkt etwas heilen kann – Das sind sog. „Präsentationsarzneimittel“

(b) Jemand (ein Hersteller) führt ein Produkt auf dem Markt ein, dass tatsächlich etwas heilen kann – Das sind sog. „Funktionsarzneimittel“.

Wie stelle ich ein Präsentationsarzneimittel her?
1. Nimm eine Blume, trockne sie, zermahle sie zu Pulver und färbe dieses Pulver rot.
2. Fülle dieses Pulver in eine hübsche Packung.
3. Klebe ein Schild mit der Aufschrift: „Dies wird ihren Kopfschmerz erleichtern“ auf die Packung. (Das ist der „Präsentations-Anteil!)
4. Beweise dem BfArM, dass diese Produkt den Menschen nicht schadet.
5. Damit hat man ein Präsentationsarzneimittel hergestellt. Ein Arzneimittel, von dem der Hersteller behauptet, dass es etwas bewirkt.

Wie stelle ich ein Funktionsarzneimittel her?
1. Erfinde einen Stoff oder eine Stoffmischung, welche etwas heilen kann.
2. Beantrage eine Arzneimittelzulassung.
3. Führe langjährige klinische Studien durch – zuerst an Tieren, dann an Menschen.
4. Beweise damit, dass das Mittel etwas heilt und möglichst wenig Schaden anrichtet.
5. Damit hätte man dann ein Funktionsarzneimittel hergestellt. Ein Arzneimittel, dass tatsächlich etwas bewirkt (heilt).

Unterschied zwischen Präsentationsarzneimittel und Funktionsarzneimittel verstanden? Gut… Dann stellen wir uns doch jetzt mal eine ganz einfache Frage:

Was für Arzneimittel sind Nikotinersatzpräparate wie Nikotinkaugummi, Nikotinpflaster, Nikotininhalatoren, etc.??

Antwort: Nikotinersatzpräparate (NET) sind Präsentationsarzneimittel!

Also Produkte, die nur als Arzneimittel eingestuft sind, weil der Hersteller behauptet, dass sie etwas heilen können. Präsentationsarzneimittel durchlaufen, wie oben schon angedeutet, ein sog. „vereinfachtes Zulassungsverfahren“ in dem der Hersteller eigentlich nur beweisen muss, dass das Produkt niemanden schadet. Danach sind sie (in der Regel) in Apotheken ohne Rezept zu erhalten. Mit der Definition eines Präsentationsarzneimittels will der Gesetzgeber die Menschen vor Herstellern schützen, die bei einem Produkt alles Mögliche versprechen, nur damit es sich verkauft. Durch diese Definition  ist zumindest gewährleistet, dass die Menschen nicht durch Heilversprechen angelockt werden, ein Produkt kaufen und sich dann evtl. damit schaden.

Was nun die NET angeht: Es gibt es nicht EINE KLINISCHE STUDIE, in der bewiesen wird, dass NET etwas heilen könnten. Im Gegenteil: In der Vergangenheit war die „Erfolgsquote“ von NET in Studien (selbst unter günstigen Bedingungen) bei ca. 3% – Bedeutet: Bei 97 % haben diese Mittelchen nicht gewirkt! [4] Bei einer neueren Studie stellte sich gar heraus, dass Nikotinersatzpräparate ohne Wirkung auf die „Aufhörquoten“ sind. [5]

Zitat aus dem Vorschlag zur neuen Tabakrichtlinie:

Die Festsetzung des Nikotinhöchstgehalts in diesem Vorschlag erfolgte nach einem Vergleich mit dem Nikotingehalt von Arzneimitteln zur Raucherentwöhnung (Nikotinersatztherapien), die bereits eine Zulassung gemäß den Arzneimittelvorschriften erhalten hatten. [1]

Daraus folgt:

1. Die „Begrenzung auf 4mg“ wurde deswegen gewählt, weil die Kommission Präsentationsarzneimitteln als Maßstab genommen hat. Präsentationsarzneimittel sind jedoch nur Arzneimittel, weil der Hersteller behauptet, dass das Mittel etwas bewirkt.

2. Weder die Definition für ein Funktions noch für ein Präsentationsarzneimittel treffen auf die Liquids zu. Die Liquids sind keine Arzneimittel.

Und nun stelle ich einfach mal drei Fragen in den Raum:

1. Wie kann die EU-Kommission „EZigarettenliquids über 4mg Nikotin pro 1 ml“ als Arzneimittel einstufen, obwohl SÄMTLICHE in der EU erhältlichen Nikotinersatzpräparate lediglich Präsentationsarzneimittel sind?

2. Wie kann in der Tabakrichtlinie, entgegen der vorherrschenden EU-Gesetzgebung und EU-Rechtssprechung ein Arzneimittel definiert werden, obwohl die EZigarette weder Präsentations noch Funktionsarzneimittel ist und der EuGH bereits festgestellt hat, dass eine alleinige toxische bzw. pharmakologische Wirkung kein Arzneimittel begründet? [6 – Ziffer 23]

3. Kann man Produkte die keine Arzneimittel sind verbieten,  weil sie keine Arzneimittelzulassung haben?

Fakt ist:

„Eigentlich“ – kann die EU-Kommission das nicht – Und das macht sie auch nicht! Entscheiden und verabschieden kann nur das EU-Parlament bzw. die EU-Abgeordneten. Und sobald diese Richtlinie verabschiedet wurde und dann von einem Richter des Europäischen Gerichtshofs gelesen werden sollte, wird den Abgeordneten genau diese Richtlinie um die Ohren gepfeffert werden.

 

Mit gepfefferten Grüssen

Rursus

P.S. Diese Rechtslage ist den EU-Abgeordneten seit einer Anfrage bei Abgeordnetenwatch [7] , spätestens aber seit dem Hinweis von Clive Bates an die Abgeordneten bekannt. [8] Hier kann später niemand sagen „das habe ich nicht gewusst“!

Quellen:
[1] http://ec.europa.eu/health/tobacco/docs/com_2012_788_de.pdf
[2] http://ig-ed.org/2013/01/e-zigarette-in-gefahr-revision-der-eu-tabakrichtlinie-kommt-verbot-gleich/
[3] http://eur-lex.europa.eu/LexUriServ/LexUriServ.do?uri=OJ:L:2001:311:0067:0128:DE:PDF
[4] http://onlinelibrary.wiley.com/doi/10.1002/14651858.CD000146.pub3/abstract
[5] http://www.ncbi.nlm.nih.gov/pubmed?term=Alpert%20A%20prospective%20cohort%20study%20smoking%20cessation
[6] http://lexetius.com/2009,832
[7] http://www.abgeordnetenwatch.de/dr_peter_liese-901-22732-4.html#questions
[8] http://www.clivebates.com/?p=973

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