Einstiegsdroge EZigarette? – Pustekuchen!

Wie die akutelle Diskussion in den EU-Ausschüssen zeigt, sind viele Politiker besorgt, dass die EZigarette eine Einstiegsdroge für den Zigarettenkonsum sein könnte.

Jedenfalls ist es genau das, was die Kommissionsmitglieder und die Berichterstatter immer wieder von sich geben.[1,2,3] Zum Beispiel verweist die Berichterstatterin des “Ausschuss für Umweltfragen, öffentliche Gesundheit und Lebensmittelsicherheit – ENVI“, Linda McAvan, immer wieder darauf, dass es Studien gibt die genau dies nahelegen…

Diese Aussagen sind Grund genug, sich diese Studien mal näher anzuschauen. Soweit ich weiss, sind in den letzten Monaten nur drei größere Studien zu dem Thema „EZigaretten und Jugendliche“ veröffentlicht worden:

Adolescent Males’ Awareness of and Willingness to Try Electronic Cigarettes [4]

Electronic Cigarette Use Among Teenagers and Young Adults in Poland [5]

E-Cigarette: A New Tobacco Product for Schoolchildren in Paris [6]

Im Detail:

Adolescent Males’ Awareness of and Willingness to Try Electronic Cigarettes

In dieser Studie von 2013 konnte nicht ein Jugendlicher Nichtraucher gefunden werden, der jemals eine EZigarette ausprobiert hat.

Für die Studie wurden 228 Jugendliche (Männlich, im Alter zwischen 11 und 19) befragt, ob sie schon der EZigarette gehört haben, die ausprobieren wollen und ob sie die EZigarette im Moment benutzen.

Die Ergebnisse waren:

  • 67 % hatten von der EZigarette gehört.
  • 18 % wollten die EZigarette ausprobieren.
  • 1 % hatten die EZigarette bereits ausprobiert.

Das klingt besorgniserregend? Nicht, wenn man weiss dass die 1 % Jugendlichen, welche die EZigarette bereits ausprobiert hatten zwei Raucher sind (das diese Jugendlichen Raucher sind, ist in der Studie in einer Fußnote versteckt!).

Die Studiendaten haben also folgende Aussage:
Jugendliche wissen um die EZigarette und sind auch willens sie auszuprobieren – Jedoch haben von 228 Jugendlichen nur 2 Tabakrauchende Jugendliche die EZigarette jemals ausprobiert.Was mich sehr wundert, da Jugendliche eigentlich alles ausprobieren wollen. Jedenfalls war das bei mir so, als ich im Alter von 12 Jahren nach einer Geburtstagsfeier meiner Eltern in den Partykeller schlich und nachgesehen habe, was denn da in der vergangenen Nacht los war (durch die laute Musik, konnte ich lange nicht einschlafen). Luftschlangen, Luftballons, Konfetti auf dem Boden und halbvolle Gläser mit diversen Flüssigkeiten auf den Tischen. Habe ich aus leuter Neugier an den Gläsern geschnuppert? Aber sicher! Habe ich an einem Glas mit einer dunklen Flüssigkeit genippt? Aber 100%ig! Hat es mir geschmeckt? Nein, hat es nicht! (Und ich empfinde Cola/Rum auch heute noch als ekelig!).

Was ich damit sagen will:
Natürlich ergibt die Studie, dass Jugendliche von der EZigarette wissen – Immerhin ist das Thema in den Medien quasi Omnipräsent gewesen. Und natürlich ergibt die Studie, dass Jugendliche teilweise die EZigaretten ausprobieren wollen – Immerhin sind Jugendliche Neugierig! Interessant finde ich jedoch, dass tatsächlich nur zwei Jugendliche Raucher dies auch getan haben. Dies zeigt mir, dass die EZigarette für Jugendliche nicht sehr attraktiv ist.

Mein Fazit der Studie:
Jugendliche sind sich der EZigarette bewusst, nutzen sie jedoch nicht! Und sie experimentieren auch nicht mit der EZigarette! Jugendliche bevorzugen eher “die Originale” – Genau so wie Jugendliche eher Originale Markenjeans, als Imitate haben wollen… Eher Original Markenschuhe als welche vom Discounter…

Electronic Cigarette Use Among Teenagers and Young Adults in Poland

In dieser Studie aus Polen wurden zwischen September 2010 and Juni 2011 20.240 Personen befragt. Die Fragestellung war simpel:
Wurde die EZigarette jemals genutzt?
Wurde die EZigarette in den letzten 30 Tagen genutzt?

Herausgekommen ist folgendes:

Bei den 15 bis 19jährigen hatten:

23,5 % die EZigarette schon einmal genutzt und

8,2 % hatten die EZigarette während der letzten 30 Tage benutzt.

Bei den 20 bis 24jährigen hatten:

19 % die EZigarette schon einmal genutzt und

5,9 % hatten die EZigarette während der letzten 30 Tage benutzt.

Außerdem weisen die Wissenschaftler darauf hin, dass 3,2 % der Befragten, die schon einmal eine EZigarette ausprobiert hatten, Nichtraucher sind.

Das Fazit der Wissenschaftler:

Rund ein viertel der Jugendlichen hatten schon mal eine EZigarette ausprobiert; die meisten der Jugendlichen waren Raucher. Es ist unklar, ob EZigarette nur eine Neuheit ist, welche Jugendliche einmal ausprobieren oder ob sie das Potenzial haben mit der herkömmlichen Zigarette zu konkurrieren.

Mein Fazit:

Rund ein viertel der Jugendlichen hatten schon mal eine EZigarette ausprobiert: Diese waren Raucher. Bei einem Raucheranteil von 32 % in der polnischen Bevölkerung, wundert es mich, dass diese Zahlen nicht viel höher sind. [7]

Nur 3,2 %  derjenigen, die schon einmal eine EZigarette ausprobiert hatten, waren Nichtraucher. Hier wundert mich, dass die Wissenschaftler nicht die simple Frage gestellt haben „Wird die EZigarette dauerhaft benutzt“ – Auf diese Weise hätten sie zumindest diese Unsicherheit beseitigen können.

Da diese 3,2 % bei den „haben schon einmal genutzt“ und nicht bei „haben in den letzten 30 Tagen genutzt“ auftauchen, kann man davon ausgehen, dass diese Jugendliche nur einmal an der EZigarette gezogen haben und es dann auch wieder gelassen haben.

 

E-Cigarette: A New Tobacco Product for Schoolchildren in Paris

Bei dieser Studie von B. Dautzenberg et al. wurde in einer jährlich stattfindenen Umfrage über den Tabakkonsum bei Kindern in Paris, eine Frage bezüglich der EZigarette eingefügt.

Die Frage war: „Hast Du jemals eine EZigarette benutzt?“

Dafür wurden 3409 Schulkinder im Alter zwischen 12 bis 19 Jahren Anfang 2012 befragt.

Von diesen 3409 haben 277 Jugendliche diese Frage mit „Ja“ beantwortet. Damit hatten insgesamt 8,1 Prozent der befragten Jugendlichen schon einmal eine Erfahrung mit EZigaretten.

Klingt alarmierend? Schockierend?

Nicht wenn man weiss, dass von diesen 277 Jugendlichen welche die EZigarette ausprobiert hatten die Mehrheit schon einmal Tabakzigaretten ausprobiert haben bzw. waren/sind Raucher.

Die Zahlen aus der Studie:

  • 3409 Schüler wurden befragt.
  • 421 Schüler (12,4 %) waren/sind Raucher (daily smoker).
  • 277 Schüler (8,1 %) hatten schon einmal eine Erfahrung mit der EZigarette.
  • 112 Schüler (3,3 %) welche die EZigarette ausprobiert haben, waren/sind Raucher.
  • 47 Schüler (1,4 %) haben die EZigarette ausprobiert und noch nie eine Tabakzigarette ausprobiert.

Weiter stellten die Autoren heraus, dass es vom „Raucherstatus“ abhängt, ob ein Schüler schon einmal eine EZigarette ausprobiert hatte. Von denen, die schon einmal eine EZigarette ausprobiert haben, waren:

  • 4,4 % Nichtraucher
  • 16,4 % Gelegenheitsraucher
  • 19,6 % Ex-Raucher
  • 33,4 % Raucher

Trotzdem wird eine Zahl besonders herausgestellt: Unter den 12 bis 14jährigen waren 64,4 % der Teenager, welche die EZigarette ausprobiert hatten, keine regelmäßigen Zigarettenraucher!

Klingt nach einer wirklich bedrohlichen Zahl, oder? Hier möge man sich vor Augen halten, dass es völlig normal ist, wenn ein 12 bis 14jähriger Jugendlicher Nichtraucher ist! Kinder sind Neugierig! Und wenn Kinder Zugriff auf etwas haben, dann probieren sie es auch aus! Hätten die Autoren der Studie die Altersgrenze ausgeweitet, hätten Sie vermutlich herausgefunden, dass 98 % der 8 bis 9jährigen Nichtraucher waren/sind!

Fazit der Studienautoren:
Für Teenager sind EZigaretten nicht zu einem Produkt geworden, dass ihnen beim Rauchstopp hilft, sondern zu einem Produkt dass zum Experimentieren mit Zigaretten und zum Zigarettenrauchen führt.

Mein Fazit:
Woher zum Teufel haben die Autoren ihr Fazit her? Die ganze Studie basiert auf der Frage „Hast Du schon einmal eine EZigarette ausprobiert?“. Hier ist irgendwie keine Untersuchung zu sehen, in der Nichtrauchende Jugendliche beobachtet wurden, ob sie Tabakraucher werden – nachdem sie eine EZigarette ausprobiert hatten.

Dazu ein Beispiel aus den Kommentaren zu diesem Artikel:

Wenn ich fettleibige Kinder zwischen 5 und 12 Jahren frage, ob sie schon einmal einen Apfel gegessen haben, werden die meisten Kinder die Frage mit “ja” beantworten.

Frage ich sie dann, ob sie regelmäßig Äpfel essen, und ob sie in den letzten sieben Tagen einen Apfel gegessen haben, werde ich ebenfalls hohe Ergebnisse haben.

Daraus aber abzuleiten, dass Äpfel zu Fettleibigkeit führen, ist unwissenschaftlich.

Lediglich 4,4 % der Jugendlichen, welche schon einmal eine EZigarette ausprobiert hatten, waren Nichtraucher.
Nur 1,4 % der Jugendlichen die schon einmal eine Erfahrung mit der EZigarette hatten, waren Nichtraucher welche noch nie eine Erfahrung mit der Tabakzigarette gemacht haben.

Aus diesen Studiendaten ein „Initiationsprodukt“ zu konstruieren ist schon „die hohe Schule“. Wenn die Studie eins aufgezeigt hat, ist es dass es in Paris ein Problem damit gibt Jugendliche richtig aufzuklären, weil der Raucheranteil unter den Jugendlichen derart hoch ist.

Schlusswort

Alle drei Studien zeigen auf, dass nur eine geringe Anzahl von Jugendlichen die EZigarette schon einmal ausprobiert haben. Und wenn Jugendliche diese ausprobieren, dann sind sie zum Großteil Raucher bzw. haben schon Erfahrungen mit Tabakzigaretten gemacht.

Aus diesen drei Studien eine „Einstiegsdroge in den Tabakkonsum“ zu konstruieren ist nicht nur „weit hergeholt“ – Es ist Unsinn!

Freundlichst,

Rursus

 

Quellen

[1] Sitzung des ENVI am 24.04.2013 (Beginn der Diskussion: 16:43:00)

[2] Sitzung des IMCO am 24.04.2013 (Beginn der Diskussion: 11:46:40)

[3] Sitzuzng des JURI am 24.04.2013 (Beginn der Diskussion: 16:34:00)

[4] JK Pepper et al.: Adolescent Males’ Awareness of and Willingness to Try Electronic Cigarettes (Februar 2013)

[5] ML Goniewicz et al.: Electronic Cigarette Use Among Teenagers and Young Adults in Poland (Mai 2012)

[6] B. Dautzenberg et al.: E-Cigarette: A New Tobacco Product for Schoolchildren in Paris (2013)

[7] Eurobarometer survey 2012 (Mai 2012)

 

Hinweis 27.04.2013: Studie von B. Dautzenberg et al. hinzugefügt.

Comments

  1. Für Snus ist dieses Einstiegsgerücht durchaus schon untersucht, Ergebnis: Eher nicht. Je nach Untersuchung sogar mehr im Gegenteil: Nutzer von rauchfreiem Tabak rauchten mit geringerer Wahrscheinlichkeit als ihre nicht-nutzenden Gleichaltrigen. Guter Überblick: http://www.smokersonly.org/Owensboro/gateway.html

    Es gibt nicht wirklich einen Grund anzunehmen, daß das beim Dampfen anders aussähe.

  2. Wieder wird deutlich klar, dass globale akademische Standards für Studien fehlen, was inzwischen von vielen Forschenden via Petition dringend gefordert wird.

    Im Prinzip kann jeder Depp sich Fragen ausdenken und eine Umfrage machen, die durch die Auswahl der Befragten und/oder die Fragestellung genau das zum Ergebnis haben wird, was er „beweisen“ möchte. Wenn ich fettleibige Kinder zwischen 5 und 12 Jahren frage, ob sie schon einmal einen Apfel gegessen haben, werden die meisten Kinder die Frage mit „ja“ beantworten. Frage ich sie dann, ob sie regelmäßig Äpfel essen, und ob sie in den letzten sieben Tagen einen Apfel gegessen haben, werde ich ebenfalls hohe Ergebnisse haben. Daraus aber abzuleiten, dass Äpfel zu Fettleibigkeit führen, ist unwissenschaftlich.

    • Der Apfelvergleich trifft es, wie die Sprichwörtliche Faust aufs Auge! Schade, dass mir das nicht eingefallen ist 🙂

  3. Willem Hoffmanns
    29. April 2013 - 12:10

    … für mich zeigen die Aussagen einmal mehr, dass Industrie und Politik vorliegende Studien eindeutig so interpretieren, wie es der anfänglichen Zielsetzung entspricht.

    • Na das ist doch klar, dass Politik und Industrie das so machen. Was mich und andere viel eher erstaunt und erschreckt ist, dass Wissenschaftler scheinbar Ergebnisse liefern die der Politik und Industrie „in den Kram passen“ und „Mundgerecht“ serviert werden. Anders kann ich mir das „aus den Fingern gesogene“ Fazit der Studie aus Paris jedenfalls nicht erklären…

  4. Ingolf Pärcher
    6. Mai 2013 - 18:43

    Das sind die Joes, nach Fasbracke benannt.
    Es gibt eine echte Gefälligkeitsgutachtenindustrie.
    Und wenn da irgendwo irgendwohin verlinkt wird, ein Shop, den niemand mag, der Inhalt ist es wert, gelesen zu werden.

  5. Hervorragend zerlegt!

    Jetzt fehlt in diesem Reigen der vergeblichen Versuche, mit diesen Zahl das Gegenteil zu belegen, noch die nebulös-ominöse „ungarische“ Studie. Ob wir dieses lichtscheue Wild jemals ins Visier bekommen?

    Dafür hat Clive Bates sich diesem Thema aus einer ganz anderen Richtung genähert: We need to talk about the children – the gateway effect examined

  6. Irgend wie stimmen die Zahlen nicht!

    Siehe unter:

    „E-Cigarette: A New Tobacco Product for Schoolchildren in Paris“

    4,4 % Nichtraucher
    16,4 % Gelegenheitsraucher
    19,6 % Ex-Raucher
    33,4 % Raucher

    Was sind denn die fehlenden 26,2%? Dampfer?
    Sonst ergibt es irgend wie keinen logischen Sinn. Oder hab ich hier ein Denkfehler?

  7. Das DKFZ bezieht sich m. M. nach auf den Fachartikel „Patterns of electronic cigarette use and user beliefs about their safety and benefits: An Internet survey“. Drug Alcohol Rev. 2013 March; 32(2): 133–140. Published online 2012 September 20. doi: 10.1111/j.1465-3362.2012.00512.x

    Dieser Artikel wird ab 1. März 2014 Online frei zur Verfügung stehen (soweit ich es verstanden habe):
    http://www.ncbi.nlm.nih.gov/pmc/articles/PMC3530631/

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