Informationen zur EU-Tabakrichtlinie

Hinweis vom 09.05.2014: Aktuelle Informationen zur veröffentlichten neuen Tabakrichtlinie und den Artikel 20 (E-Zigaretten) finden Sie hier: KLICK

 

Da dieser Text von Michal Dobrajc nahezu alles enthält, was ich seit einigen Tagen Gebetsmühlenartig wiederhole, habe ich ihn leicht abgewandelt und veröffentliche ihn hier in meinem Blog:

Nachfolgend wird ausgeführt, wie der aktuelle Stand der Tabakrichtlinie der EU nach meinem Kenntnisstand und Verständnis ist und welche Auswirkungen sie auf E-Zigaretten hat. Dieser Beitrag dient einem unverbindlichen Überblick und stellt keinen Anspruch an Vollständigkeit und Richtigkeit.

Zusammenfassung

Die EU, genauer der ENVI-Ausschuss, hat am 10.07.2013 über den Entwurf einer neuen Tabakrichtlinie abgestimmt. Hierbei wurden E-Zigaretten und Liquids zwar nicht verboten, aber – unabhängig vom Nikotingehalt, sofern dieser über 0% liegt – als Arzneimittel definiert. Da in der Vergangenheit Nikotin auch in „Liquids ohne Nikotin“ gefunden wurde, kann man z.Zt. davon ausgehen, dass auch sogenannte „Nuller“ von den entsprechenden Stellen als „Nikotinliquids über 0%“ betrachtet werden.

In Deutschland würde dies bedeuten, dass  Liquids dem Arzneimittelgesetz unterfallen und damit hohe Hürden der Zulassung, sowohl des Herstellers als auch der Produkte selbst, überwinden müssen. Unter Umständen wären sie in Deutschland auch Apothekenpflichtig. Die Hardware (die E-Zigarette an sich) ist zwar kein Arzneimittel – jedoch nach der Einstufung ein Produkt, dass dazu bestimmt ist, ein Arzneimittel nach §2 I AMG zu verabreichen (§2 III MPG). Damit unterliegt Hardware zwar nicht dem AMG aber dem MPG, welches auch gewisse Zulassungsvoraussetzungen an die Produkte stellt, die aber deutlich schwächer ausgeprägt sind als die des AMG und die von den großen Herstellern durchaus stemmbar wären. Produkte allerdings, die weitreichend durch den Anwender manipulierbar sind (man denke an Selbstwickelverdampfer), könnten Probleme mit der Zulassung bekommen.

Keiner der derzeitigen Hersteller dürfte auf absehbare Zeit die finanziellen, technischen und faktischen Mittel haben, eine solche Zulassung in Deutschland zu erhalten. Solange aber eine solche Zulassung nicht besteht, herrscht ein Verkaufsverbot für nikotinhaltige Produkte. Das Dampfen wäre somit nur noch mit nikotinfreien Liquids möglich.

Passiert der Entwurf Parlament und Rat, dann wird mit einer nationalen Umsetzung in Deutschland im Laufe des Jahres 2014 gerechnet.

 

Im Detail

Am 10.07.2013 hat der parlamentarische Ausschuss für Umweltfragen, öffentliche Gesundheit und Lebensmittelsicherheit („ENVI“) des Europäischen Parlaments über den Entwurf einer neuen Tabakrichtlinie abgestimmt. Hierbei ging es auch um E-Zigaretten, bzw. genauer um „nikotinhaltige Produkte“, namentlich E-Liquids, aber auch nikotinhaltige Basen.

Der Entwurf enthielt u.a. einen Passus in Artikel 18, der nikotinhaltige Produkte ab einem bestimmten Nikotingehalt (4 mg/ml) dem Arzneimittelrecht unterstellen sollte. Dies wurde durch Zustimmung zum konsolidierten Änderungsantrag Nr. 57 dahingehend geändert, dass die Nikotingrenze wegfällt. Der endgültige Wortlaut des Artikels 18 ist damit:

„Nicotine-containing products may only be placed on the market if they are authorised pursuant to Directive 2001/83/EC, taking into account the well established use of nicotine.“

Übersetzung:

„Nikotinhaltige Erzeugnisse dürfen nur in Verkehr gebracht werden, wenn sie gemäß der Richtlinie 2001/83/EG zugelassen werden, unter Berücksichtigung des fest etablierten Konsums von Nikotin.“

Die Richtlinie 2001/83/EG ist der Gemeinschaftskodex für Humanarzneimittel, in Deutschland vom nationalen Gesetzgeber umgesetzt durch das Arzneimittelgesetz (AMG).

 

Arzneimittel oder Medizin?

Umgangssprachlich gleich – rechtlich ein deutlicher Unterschied.

Die Medizinprodukterichtlinie, in Deutschland als Medizinproduktegesetz (MPG) umgesetzt, hat deutlich geringere Zulassungshürden für Produkte als das Arzneimittelgesetz (AMG). Unter das MPG fallen Dinge wie Verbandsmaterial, Kanülen und Kondome.

Arzneimittel hingegen unterliegen sehr viel schärferen Anforderungen: Der Hersteller benötigt eine Herstellungserlaubnis, deren Erteilung ans strenge Voraussetzungen geknüpft wird; Arzneimittel müssen ein Zulassungsverfahren mit dem Nachweis von Qualität, Wirksamkeit (klinischer Wirksamkeitsnachweis) und Unbedenklichkeit durchlaufen; der Arzneimittelverkehr (Vertrieb, Abgabe) wird strenger reguliert und überwacht (evtl. Apothekenpflicht).

Zeitweise herrschte im Internet Verwirrung, da in der offiziellen Pressemeldung von ENVI von „medicinal products“ die Rede ist und dies in deutschen Pressemeldungen falsch übersetzt wurde mit „Medizinprodukten“ bzw. „Medizinrichtlinie“. Dies führte im Internet überwiegend zu Erleichterung, da das MPG als deutlich kleineres Übel gegenüber dem AMG gesehen wurde. „Medicinal Products“ sind jedoch Medikamente, also Arzneimittel (Medizinprodukte wären „medical products“).

Maßgeblich ist ohnehin der Text der Richtlinie und nicht die Pressemitteilung, und dieser bezieht sich auf die Richtlinie 2001/83/EG, also die Arzneimittelrichtlinie.

 

Kommt die Apothekenpflicht?

Zwar spricht die Pressemitteilung der EU davon, dass die Mitgliedsländer dafür sorgen sollten, dass E-Zigaretten auch außerhalb von Apotheken erhältlich sein sollen, doch vorschreiben kann die EU das nicht. Angesichts der politischen Stimmung in Deutschland gegen E-Zigaretten ist davon auszugehen, dass Deutschland diesen Weg nicht gehen wird – die Wahrscheinlichkeit, dass es eine Apothekenpflicht geben wird, ist hoch.

 

Aber die Grenze für Nikotingehalt ist doch weggefallen?

Richtig: Zuvor sollten nur Liquids mit einem Nikotingehalt von mehr als 4 mg/ml dem Arzneimittelrecht unterfallen. Durch den Wegfall dieser Einschränkung fallen also ALLE Nikotinhaltigen Liquids darunter.

 

Was ist mit Aromen, werden die jetzt verboten?

Das Verbot der Verwendung von Aromen wird in der Tabakrichtlinie geregelt, die Liquids fallen nach dem Entwurf nun aber unter die Arzneimittelrichtlinie, womit das Aromenverbot für Liquids vom Tisch ist.

 

Aber deutsche Gerichte haben doch bereits geurteilt, dass E-Zigaretten keine Medikamente sind!

Gerichte urteilen als Judikative immer ihm Rahmen der gesetzlichen Vorschriften, die sie vorfinden. Sie sind nicht dazu da, Gesetze zu machen sondern sie auszulegen und anzuwenden. Die Gesetzgebung obliegt der Legislative, die Gesetze im Rahmen der Verfassungsmäßigkeit  stets ändern kann. Es ist also dem Gesetzgeber unbenommen, Liquid als Arzneimittel zu definieren, die verstößt nicht gegen die bisherigen Urteile sondern schafft einen neuen rechtlichen Rahmen für künftige Urteile.

 

Darf die EU das überhaupt?

Dieser Punkt ist tatsächlich umstritten. Es gibt Stimmen in der Rechtswissenschaft, die der EU die Kompetenz zur Regelung von E-Zigaretten nicht zugestehen. Laut eines Gutachtens des Hamburger Europarechtlers Prof. Dr. Holger Schwemer gehe es dem Gesetzgeber hier ausschließlich um Fragen des Gesundheitsschutzes, der nicht – zumindest in diesem Maße – in den Kompetenzbereich der EU fällt. Im Ergebnis fände also Ermessensmissbrauch statt.

Ob dies so stimmt und tatsächlich vor Gericht genauso gesehen würde, steht aber auf einem anderen Blatt. Wie in anderen Wissenschaften auch gibt es in der Rechtswissenschaft häufig widerstreitende Meinungen, die jeweils herrschende Meinung (also wenn die Mehrzahl von Publikationen sich für eine Seite entscheidet) kann wechseln und Gerichte sind nicht mal an diese gebunden. Gesetze sind immer eine Frage der Auslegung, das letzte Wort hat das letztinstanzliche Gericht, vorliegend wäre dies der EuGH. Der Weg dorthin ist aber lang und beschwerlich, und solange es keine Entscheidung dahingehend gibt, gelten die Richtlinie und die nationale Umsetzung weiter fort.

 

Dann mische ich eben selbst!

Möglichkeit 1, selbst mischen mit nikotinhaltigen Basen, wird nicht gehen, denn diese dürften genauso als „Nikotinhaltiges Produkt“ und damit als Arzneimittel gelten.

Möglichkeit 2, sich PG / VG und Nikotin einzeln zu besorgen und zu mischen, wird nicht funktionieren, da reines Nikotin der Chemikalien-Verbotsverordnung unterliegt. Der Handel damit ist zwar nicht verboten, jedoch benötigt ein potenzieller Käufer die Erlaubnis der zuständigen Behörde und es muss ein Sachkundenachweis vorliegen – beides wird für die Eigenherstellung von Liquid wohl kaum erteilt.

 

Wann tritt die Richtlinie in Kraft?

Dieser Entwurf, über den am 10.07. abgestimmt wurde, wird noch dem Parlament und dem Rat zur Entscheidung vorgelegt. Die Abstimmung ist also noch keine endgültige Richtlinie sondern muss erst noch beschlossen werden.

Im September 2013 wird der Entwurf im Rahmen des ordentlichen Gesetzgebungsverfahrens dem EU-Parlament zur Entscheidung vorgelegt und muss dann auch noch vom Rat bestätigt werden. Derzeit ist nicht absehbar, ob dies so passieren wird. Möglicherweise schafft es die Tabaklobby doch noch, das Vorhaben zu kippen – das Interesse dürfte groß sein, zumal der Entwurf für die Tabakindustrie absolute No-Gos enthält (abschreckende Bilder auf Verpackungen, keine Slim-Zigaretten mehr, keine Aromen mehr, keine Menthol-Zigaretten mehr). Ab jetzt ist die Tabaklobby damit eher ein Partner der E-Zigaretten-Nutzer als deren Feind.

Falls der Entwurf durchkommt wird allgemein mit einer nationalen Umsetzung bis Mitte 2014 gerechnet.

 

Fazit?

Noch ist nichts geschehen, bislang handelt es sich um einen Richtlinienentwurf, der es möglicherweise nicht durchs Parlament schafft. Wichtig ist jetzt, die finale Fassung des Richtlinienentwurf zu lesen zu bekommen – Leider ist dieser im Moment nirgends verfügbar.

 

Die Weitergabe dieses Artikels gemäß der Creative Commons Namensnennung 3.0 Lizenz unter Nennung des Namens in nachfolgend festgelegter Form gestattet:

Autor: Michal Dobrajc, vaporexmachina.de

Comments

  1. Meine Gedanken dazu:

    Dampfgeräte:
    In Österreich fallen nikotinhaltige Liquids ja schon länger unter das Arzneimittelgesetz. Für Verdampfer gilt das Medizingesetz jedoch nur, sofern sie auch zum Verdampfen nikotinhaltiger Liquids genutzt werden. Auch wenns unsinnig klingt: Man kann in Österreich Dampfgeräte außerhalb dieser Richtlinien verkaufen und erwerben, sofern sie lediglich zum Verdampfen nikotinfreier Liquids bestimmt sind. Siehe dazu folgenden Link der Wirtschaftskammer Österreich:

    Vertrieb des Inhalationsanteils abhängig von Zweckbestimmung

    Ich denke, dass eine ähnliche Auslegung auch in Deutschland Anwendung findet.

    Liquids:
    Für den Fall, dass das Schlimmste eintritt:
    Müsste tatsächlich jedes Liquid (Geschmacksrichtung) und jede Nikotinkonzentration einzeln ein Zulassungsverfahren durchlaufen, oder gibt es nicht die Möglichkeit eine Produktgruppe mit gleichen Eigenschaften (Bei den pharmakologisch wirkenden Substanzen geht es ja nur ums Nikotin) gesammelt diesem Zulassungsverfahren zu unterziehen?
    Wäre es für Konsumenten und Händler nicht möglich gemeinsam zumindest die Zulassung für eine neutrale Base zu stemmen und diese allen Dampfern gemeinnützig zu einem moderaten Preis über die Apotheken zur Verfügung zu stellen? Damit wäre ja schon mal viel erreicht.

    Apotheken:
    Natürlich würde vielen Shops ein beträchtlicher finanzieller Schaden durch den Verkauf aller nikotinhaltiger Produkte über Apotheken entstehen. Aber wäre das Liquid allein dadurch, dass es in Apotheken verkauft wird, signifikant teurer?
    Für die Shops würde zumindest noch der Markt für alles, was nicht direkt mit Nikotin zu tun hat, bleiben.

    Wie sind eure Gedanken zu den Möglichkeiten der weiteren Vorgehensweise? Vielleicht gibt es hier einige Leute vom Fach, welche mir mit den aufgeworfenen Fragen weiterhelfen können, oder sich selbst schon Gedanken gemacht haben. Auch wenns momentan bitter ist; Aber Aufgeben hilft in dieser Situation nicht weiter. Und von bunkern und Schwarzmarkt halte ich persönlich auch nichts, weils einfach keine Lösung ist. Über kurz oder lang werden die Quellen versiegen und die Schwarzmarkthändler sowie einige Nutzer mit der Justiz Bekanntschaft machen. Wer will das schon?

    Schöne Grüße aus Österreich,

    • Da befindest Du Dich leider auf dem Holzweg: In Österreich wurden Nikotinhaltige Liquids NIE offiziell verboten bzw. unter ein Arzneimittelgesetz gestellt!

      Frag ruhig mal beim beim Gesundheitsministerium höflich an, auf welchen (vom EuGH stets geforderten) wissenschaftlich belastbaren Belegen die Heilmittelbehauptung des Abgrenzungsbeirats beruht. Das Ministerium wird antworten, dass diese Belege aus der Behauptung des Abgrenzungsbeirats bestehen.

      In Österreich wurden NOCH NIE auch nur eine Lieferung von Nikotinhaltigen Liquids bei der Einfuhr beschlagnahmt – Eben weil der Zoll genau das nicht darf!

      Es gibt da Rechtskundige EZigarettennutzer, die seit Jahren darauf warten, dass mal ein Zollbeamter genau das macht – Damit er endlich Klage in Österreich erheben kann -> Seit Jahren wartet er vergeblich auf eine Chance 😀

      Österreich ist seit über 15 Jahren in der EU – Und damit ist dort, wie überall in der EU – bisher der Handel mit Nikotinhaltigen Liquids erlaubt.

      • Dieses Machwerk ist mir bereits bekannt 🙂 Dachte eben immer, dass die Entscheidung des Abgrenzungsbeirates verbindlich ist. Diese offizielle Antwort hab ich auch vom Gesundheitsministerium bekommen.
        Für mich stellt sich dann jedoch die Frage, warum dann in Österreich kein Händler Nikotinhaltige Produkte anbietet. Naja, bei uns ticken die Uhren eben ein wenig anders^^
        Die Begründung des Abrenzungsbeirates hierbei ist eigentlich sehr allgemein gefasst. Nämlich dass pharmakologisch wirkende Substanzen generell unter das Arzneimittelgesetz fallen würden.
        Wie auch immer die Geschichte ausgehen mag; Fakt ist, dass wir vor einer neuen Ausgangssituation stehen werden, auf die man sich jetzt schon einstellen sollte um später schnell und angemessen reagieren zu können.
        Übrigens hab ich bemerkt, dass die Verlinkung nicht so geklappt hat, wie ichs mir vorgestellt habe. Bitte einfach drüber lesen 😉

        sg Gü

  2. Die Sicht von Linda McAvan, wie einzelne Sachverhalte „gemeint“ waren, was mit den Händlern passieren könnte und wie stark reguliert werden würde gibt es in diesem Interview http://www.youtube.com/watch?v=fbttYIgAuTE

    Ich gehe davon aus, dass dies auch nur relativ subjektiv interpretierte Aussagen sind, von denen jeder MEP und auch sie jederzeit abweichen würde.

    Es wäre schön eine Zusammenfassung über ihre Sicht der Dinge zu lesen. Daran kann man sie festnageln.

    Grüße,
    eisen

    • Das Video hier zu behandeln wäre ohne nutzen – In dem Video werden von ihre Meinungen und Absichten dargelegt – Und nicht was in dem Richtlinienentwurf im Endeffekt steht.
      „Festnageln“ könnte man sie darauf nie – immerhin sagt sie auch im Interview immer wieder, dass es nicht ihre Absicht war und ist die EZigarette zu verbieten, sondern „sicher und effektiv“ auf dem Markt zu halten.

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