Junk Conclusions von einem Nobelpreisträger: „E-Zigaretten führen zu Kokain“

Junk Science (von englisch junk für „Ramsch“, „Müll“ und science für „Wissenschaft“) bzw. Minderwissenschaft ist falsch oder gar betrügerisch präsentierte bzw. interpretierte Forschung, mit deren Ergebnissen Vertreter wirtschaftlicher, religiöser oder politischer Interessen versuchen, Entscheidungen zu ihren Gunsten zu beeinflussen.
Conclusion (englisch  für „abschließende Erklärung“, „Fazit“.)

Laut Brad Rodu (Professor der Medizin an der Universität von Louisville, Kentucky, USA) wurde gestern im „New England Journal of Medicine“ (NEJM) ein aufhetzender Artikel veröffentlicht, in dem Nikotin als Einstiegsdroge für Kokain (für Mäuse) bezeichnet wird.

Die Autoren des Artikels sind die Doktoren Denise und Eric Kandel, welcher im Jahr 2000 den Nobelpreis für seine Entdeckungen betreffend der Signalübertragung im Nervensystem erhielt. Denise Kandel treibt seit 1975 eine Theorie voran, dass der Gebrauch legaler Drogen zu illegalen Drogen führt. Sprich: Alkohol und Tabakgebrauch sollen bei Jugendlichen über Marijuana zu Kokain und Heroin führen.

Eine Theorie, die in der Suchtforschung und in der Gesundheitspolitik höchst umstritten ist, da sie nicht durch Studien am Menschen belegt werden kann.

Die im NEJM veröffentlichte Studie „A Molecular Basis for Nicotine as a Gateway Drug“ präsentiert Labordaten darüber, wie Nikotin und Kokain das Mäusegehirn auf zellulärer und molekularer Ebene beeinflusst. Die Experimente umfassten die Zwangsernährung von Mäusen mit Nikotin und das injizieren von Kokain in Mäuse.
Post mortem wurden die Nagetiergehirne untersucht und aus den Ergebnissen schlossen die Autoren, dass der Gebrauch von Nikotin/Tabak den Gebrauch von Kokain verursacht.

Das Papier besteht aus einem neun Seiten langen, sauberen, technischen Beschreibung der durchgeführten Forschung. Neun Seiten auf denen nicht ein Mal die E-Zigarette erwähnt wird. Bis dahin ist das Papier einwandfrei.

Die neun Seiten haben, vereinfacht ausgedrückt, die Aussage: „Bei Mäusen ist zu beobachten, dass Nikotin den Effekt von Kokain auf das Nagetierhirn leicht erhöht.“

Erst im Fazit der Studie wird es „komisch“:

Dort haben die Autoren drei Absätze hinzugefügt, in denen sie behaupten, dass bei Menschen Rauchen, Dampfen und sogar Passivrauchen zu Kokainmissbrauch führen kann.
In einer Pressemitteilung des NEJM zu der Studie steht, dass

„E-Zigaretten ein Einstiegsprodukt in Tabakzigaretten und illegale Drogen sein könnten. Aus diesem Grund, sollten wir alles tun um junge Menschen […] vor den Risiko zu schützen über diese zu illegalen Drogen zu gelangen“

Original:
„E-cigarettes may be a gateway to both combustible cigarettes and illicit drugs. Therefore, we should do all we can to protect young people from…the risks of progressing to illicit drugs.“

Seltsam daran ist: In der Studie selbst, findet sich nicht ein Hauch eines Beweises, dass Nikotin einen solchen Effekt beim Menschen hat.

Vielleicht kann mir ja jemand in den Kommentaren erklären, wie man aus neurobiologischen Versuchen an Nagetierhirnen zu verhaltenspsychologischen Schlussfolgerungen am Menschen gelangt und dann auch noch politische Regularien mit den Top wirft?

Ob nämlich der neurobiologische Effekt nun wirklich dazu führen würde, dass das Nikotin aus einer E-Zigarette (oder einem Nikotinkaugummi, Nikotinpflaster) zu mehr Missbrauch von Kokain führt, kann stark bezweifelt werden: Die offiziellen Raucherzahlen sinken seit Jahren stetig, während der Kokainmissbrauch gleichzeitig steigt. Das passt nicht mit dem Fazit aus der Studie zusammen!

 

Zutaten für ein Rezept, dass 100%ig in das Menü „Junk Science“ oder besser „Junk Conclusion“ passt, da die Arbeit an sich sauber und nachvollziehbar aber das Fazit nicht durch die zugrunde legende Arbeit beweisbar ist.

Schade eigentlich – Das hat die Studie nämlich nicht verdient! Warum die Doktoren Kandel ihr Papier mit so einem „nicht zur Studie passenden Fazit“ versehen haben, wird wohl ihr Geheimnis bleiben.

Rursus

PS Inzwischen hat auch die US-amerikanische Verbraucherorganisation CASAA auf die Pressemitteilung des NEJM reagiert und zitiert in ihrer Pressemitteilung unter anderem David Nutt (Professor für Neuropsychopharmacology am Londoner Imperial College) und Carl V. Phillips (ehemaliger Professor an der Universität von Alberta und der Universität  Texas Health Science Center und im Moment wissenschaftlicher Berater von CASAA).

Comments

  1. Ich kann mich erinnern, dass das in den 70er Jahren schon als Schauermärchen erzählt wurde, damals allerdings nicht von Nobelpreisträgern. LOL. Was für eine Farce.

  2. Ja, die über Jahre erzeugte Desinformation übers Nikotin dient zu allem möglichen, um den Leuten alles mögliche unterzujubeln.

    Das Märchen vom „Suchtstoff Nikotin“ ist sehr wichtig für die, die es erzählen.

    – Sucht (Nikotin erzeugt sogar im Rauch insofern keine Sucht, als „Sucht“ bedeutet, dass man allmählich eine stets höhere Dosis braucht, um seine Sucht zu befriedigen. Das ist beim N. schon mal nicht der Fall, nicht einmal, wenn es vermittels Zigarettenrauch konsumiert wird, wie wir als Ex-Raucher alle wissen.

    – Der korrekte Begriff wäre: N.-‚Abhängigigkeit‘. (Das wiederum stört, weil sich aus der Abhängigkeit von einer Subtanz nicht ableiten lässt, warum jemand zu einer ganz anderen, suchterzeugenden wechseln sollte. Um so weniger, wenn der Stoff, von dem man abhängig ist, überall und ohne Schwierigkeiten rund um die Uhr zu bekommen ist.)

    – „Passivrauch“ sowie „Nebenstromrauch“ (Das ist ein gepäppeltes Märchen. Doch kaum jemand dürfte heutzutage überhaupt ‚bereit‘ sein, auch nur den Gedanken zu akzeptieren, dass es Passivrauch als Gefahr für Nebenstehende gar nicht gibt)

    – Nikotin ohne Verbrennung (Snus, nikotinhaltige E-Liquids: dass Nikotin im wesentlichen nur in Zusammenhang mit verbranntem Tabak untersucht und dabei dem Nikotin ohne Beleg die Suchterzeugung des Tabakrauchs zugeschrieben wurde, ist selbst dem Fachpublikum nicht bewusst.
    Die Untersuchungen zu rauchlosem Nikotin sind rar und selbst im Fachpublikum weitgehend unbekannt.
    Die tatsächlich spektakulären Untersuchungen zu Snus leiden darunter, dass sie von einem Staat (Schweden) finanziert wurden, der selbst ein Interesse am Fortbestehen des Wirtschaftsstandortes im eigenen Land für die Snus-Produktion hat, wodurch der Unterstellung, die Untersuchungsergebnisse seien „gekauft“, eher geglaubt wird, als den tatsächlichen Ergebnissen, die daraufhin nicht einmal angeschaut werden.)

    (Zur Nikotin“sucht“ bzw. „-abhängigkeit“ aus eigener Anschauung:

    vor zwei Tagen habe ich eine fast 8-stündige Tour über Land gemacht, mit vielen Zwischenstops, mit Gesprächen, Snacks, Landschaftsbetrachtungen etc. Obwohl ich meine zwei E-Zigaretten griffbereit in der Brusttasche stecken hatte, hab ich nicht einmal daran gedacht, sie herauszuziehen. Erst wieder zu Hause am Rechner, während ich nachguckte, was es an Neuigkeiten gab, hab ich wieder gedampft.
    Kann man so etwas etwa ehrlicherweise als „Sucht“ charakterisieren?)

  3. Ingolf Pärcher
    7. September 2014 - 1:03

    @Marcus:

    Du hast völlig recht. Als ich noch Raucher war, habe ich aus den Niederlanden 6g „was Besonderes“ mitgebracht, hat drei Jahre gedauert, bis das Zeug weg war und mich nie zum Nachkauf gereizt, genausowenig, wie mich mit anderen Substanzen wegzukicken oder zu pushen – außer Kaffee/Tee. Ist aber über ein Jahrzehnt her.
    Wenn überhaupt, nehme ich zwei Züge 36er Liquid oder 8er Snus und das reicht mir ein paar Stunden.
    Denkt darüber, wie ihr wollt, aber jeder ist sein eigenes Versuchslabor. Alte IBM- Weisheit: If it hurts, don’t do it!

  4. also ich musste ja gleich mal lachen!
    Natürlich darf man das jetzt auch nicht unterschätzen, aber mit etwas Hausverstand und kritischem Denken ist dies nicht mehr ernst zu nehmen. Hier habe ich einfach mal zwei Link, dann kann sich jeder seine eigene Meinung bilden! Smokesmart, DKFZ.
    Einen wundervollen Samstag!

  5. sehr interessant!!

  6. Also ich hab erst eine weile gekifft, bevor ich regelmässig Zigaretten rauchte (war in den 80ern). Nix Einstiegsdroge Nikotin. Die Konsumform Verbrennung war das Verbindungsglied. Und hätte ich den Weg zu härteren Stoffen eingeschlagen, wäre das gewesen weils die an den gleichen Orten gab. Alle anderen gesuchten Zusammenhänge sind – gesucht, konstruiert.

  7. Stefan Taubert
    10. November 2014 - 1:43

    Witzig ist übrigens, dass die deutsche Onlineversion immer noch die 1. Fassung aus 2013 ist UND die englische Fassung im März 2014 um ein Update erweitert wurde – Nicht aber die deutsche Fassung… Komisch, oder?

    -> Finde ich nicht, dass es “ komisch “ ist.
    Englisch ist nun mal die “ Verkehrssprache “ der Welt; der englische Leser der sich nun mit einem Artikel des DKfZ beschäftigt bekommt die begradigte Version zu lesen. Der Deutsche, der damit verarmt werden soll – beeinflusst – der bekommt weiterhin die Version zu lesen, die ihn eben beeinflussen soll. Das DKfZ präsentiert sich vor der Weltöffentlichkeit also passend oder auch passabel – aber in D muss es WIRKSAM sein.

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