Falschmeldung: Können E-Zigaretten abhängig machen?

Zuerst war ich nach dem lesen einer Pressemitteilung des „Penn State College of Medicine“ begeistert.1 Immerhin wurde hier etwas beschrieben, was ich an mir selbst auch beobachten konnte: Raucher sind nach einem Wechsel auf die E-Zigarette weniger abhängig.

Um auf dieses Ergebnis zu kommen, änderten die Forscher um Jonathan Foulds einige Fragen des „Fagerström Test für Zigarettenabhängigkeit“.2 Das war nötig, da der „Fagerström Test“ lediglich die körperliche Tabaksucht von Rauchern bestimmt und nicht ohne Änderungen bei E-Zigarettenkonsumenten angewendet werden kann.

Der angepasste Fragebogen sollte dann auch klären ob E-Zigaretten die Abhängigkeit von Rauchern reduzieren können. Dazu wurden die Antworten einer On-Line-Befragung von 3609 Ex-Rauchern und jetzigen E-Zigarettenkonsumenten (Dampfern) ausgewertet.

Die Schlussfolgerungen des Papiers „Development of a questionnaire to assess dependence on electronic cigarettes in a large sample of ex-smoking e-cig users“ lauten wie folgt:

Current e-cigarette users report being less dependent on e-cigarettes than they retrospectively report having been dependent on cigarettes prior to switching. E-cig dependence appears to vary by product characteristics, liquid nicotine concentration and may increase over time.

Übersetzung:
E-Zigarettenkonsumenten berichten davon, dass sie nach dem Umstieg weniger von E-Zigaretten abhängig sind, als sie vorher von Tabakzigaretten waren.
Eine E-Zigarettenabhängigkeit scheint mit den Produkteigenschaften der E-Zigarette und der Nicotinkonzentration in den Liquids zu variieren und könnte sich im Laufe der Zeit erhöhen.

Was macht nun die Presse aus diesen Ergebnissen?

Bild der Wissenschaft: Wie abhängig machen E-Zigaretten?

20 Minuten: Auch E-Zigaretten können abhängig machen

Falschmeldung Nr. 1
Beide Überschriften sind schlicht und einfach falsch. Weder in dem wissenschaftlichen Papier, noch in der Pressemitteilung des „Penn State Milton S. Hershey Medical Center“ ist etwas davon zu lesen, dass E-Zigaretten süchtig machen können. Das war auch gar nicht Bestandteil der Forschungsarbeit. Hier wurden ehemalige Raucher betrachtet, die auf E-Zigaretten umgestiegen waren. Laut der Pressemitteilung (und dem wissenschaftlichen Papier) waren diese Ex-Raucher und heutigen Dampfer nach dem Umstieg weniger abhängig.

Um die Frage von „Bild der Wissenschaft“ zu beantworten und ggf. die Überschrift von „20 Minuten“ wahr zu machen, hätten sie Forscher Ex-Nichtraucher unter die Lupe nehmen müssen, die jetzt E-Zigaretten konsumieren. Daraus hätte man evtl. ableiten können, ob E-Zigaretten abhängig machen – Das ist hier jedoch nicht geschehen!

„Bild der Wissenschaft“ und „20 Minuten“ unterstellen hier eine abhängig „machende“ Wirkung die gar nicht untersucht wurde.

Falschmeldung Nr. 2
Anscheinend ist den beiden Journalisten etwas wichtiges entgangen: Obwohl beide ihn zum Thema machen, gibt es den „Fagerström Test für Nicotinabhängigkeit“ nicht mehr. Der Erfinder des Tests hat 2010 einen Artikel veröffentlicht, in dem er für die Umbenennung des „Fagerström Test für Nicotinabhängigkeit“ in „Fagerströmtest für Zigarettenabhängigkeit“ eintrat. Er begründete das damit, dass Nicotin nicht als einzige Substanz an der Tabaksucht beteiligt ist. In Anbetracht der neueren Forschungsergebnisse über die Suchtwirkung von Zigarettenrauch, schien es an der Zeit den Test umzubenennen – was auch geschehen ist.3

Mit freundlichem Gruss
Rursus

PS Wer Zeit und Muße hat, kann den Fagerström Test für Zigarettenabhängigkeit auch On-Line machen: KLICK

Interessant und Unterhaltsam ist dabei, dass selbst ein Nichtraucher nach dem Test als „Abhängig“ eingestuft wird. 😉


  1. Pressemitteilung: E-Cigarettes Less Addictive Than Cigarettes 

  2. Wikipedia: Fagerström Test für Zigarettenabhängigkeit 

  3. Oxford Journals: Determinants of Tobacco Use and Renaming the FTND to the Fagerström Test for Cigarette Dependence 

Comments

  1. ausgezeichnet! Die Dampf-Gegner drehen doch alles so wie sie es wollen!

  2. Es stimmt mit der Abhängigkeit. Auch wir können das so bestätigen!

    Das Nikotin scheint nicht der Suchtfaktor zu sein! Zumindest nicht pauschal bei jedem. Es scheint auch entscheidend von der Dosis abzuhängen. Ähnlich wie bei Alkohol. Prinzipiell wird niemand vom gelegentlichen maßvollen Konsum abhängig. Erst der erhöhte und regelmäßiger Konsum von Alkohol kann (!) eine Abhängigkeit hervorrufen.

    Aber wer will das schon wissen?

    Alle denken Nikotin macht schwer abhängig und haben davor Angst wie der Teufel vorm Weihwasser und die Raucher versuchen mit Nikotinfreiem Liquid aus- bzw. umzusteigen. Leider zu 99,9% erfolglos!

    Die Angst vor dem Nikotin und der E-Zigarette wird bleiben. Die Propaganda wird weitergehen. 40.000 Lungenkrebstote (95% sind oder waren Raucher!) in Deutschland werden verdrängt.

    Einer der es auf den Punkt bringt, warum es auch leider nicht so schnell enden wird mit der Propaganda:

    http://youtu.be/q62BdMgZ5AA

  3. Volle Zustimmung. Auch wenn ich nach 3 Jahren immer noch 18er dampfe – einfach weil ich’s so mag – saß ich neulich geschlagene 3 Stunden in der Höhle des Orakels ohne Dampfpause. Selbst danach bin ich nicht gleich hinausgestürmt, sondern habe mich erst noch mit ein paar leuten unterhalten. Und sie dezent darauf hingewiesen, dass ich mich anno tobak spätstens nach einer Stunde zum Duft nach Abenteuer und Freiheit geschlichen hätte.

    Die Aussage der Wissenschaftler:
    „liquid nicotine concentration […] may increase over time.“
    zeugt meiner Meinung nach von mangelnder Grundkenntnis und falschen Annahmen.
    Ganz falsch ist die Aussage ja nicht. Es ist möglich. Aber weder sehr wahrscheinlich noch üblich.

    Die überwiegende Mehrheit der Dampfer (ich bin da wohl eher die Ausnahme) senken den Nikotingehalt im Laufe der Zeit. Ok, meist im Zusammenhang mit besseren Geräten, die auch mehr Liquid verdampfen. Aber dennoch scheint der Trend eher zu einer deutlichen Verringerung der täglich konsumierten Gesamtnikotinmenge zu gehen.

  4. @zillatron

    Yup yup yup.

    Hier mal ein normal „dampfer“ justfogs, Evod, aspire und Co. Von anfänglichen 18mg/ml nach ca 6 Wochen von einem auf den anderen Tag auf 6mg/ml runter ohne weiteren Entzug (dampfe die 6er jetzt schon etwas mehr als 4 monate) [b]. [/b]

    Auf 0er runter wäre eine Option. Da könnt ich bei gleichbleibendem dampfverhalten nachvollziehen, wie der evtl. Entzug wirkt, oder ob da überhaupt einer ist. Aber für mich gehört das Nikotin irgendwie dazu, auch wenn es nur 0,1er Phillip Morris Style ist

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