Mehr Hintergründe zu den Halbwahrheiten des L'INC

Am 28.08. berichtete ich davon, dass das französiche Verbraucherinstitut „L’INC“ mit einer völlig überzogenen Darstellung der Untersuchungsergebnisse versucht die Öffentlichkeit und, so wie es ausschaut, auch die Politker der EU negativ zu beeinflussen.

Das „L’INC“ veröffentlichte in seiner hauseigenen Zeitschrift “60 Millions de consommateurs” einen Artikel, in dem das Ergebnis einer Untersuchung der Dampf von 10 EZigaretten auf Schadstoffe betrachtet wurde.

Leider war zu dem Zeitpunkt noch nicht klar welche Dampfmenge das „L’INC“ untersucht hat, um auf ihre Zahlen zu gelangen. Wenn man Vergleiche zu anderen Produkten ziehen will, ist dies aber wichtig: Nur der Vergleich auf ein identischen Gesamtvolumen wäre letztendlich aussagekräftig.

So kann man z.B. nicht den Anteil von Uran im Wasser aus dem Wasserhahn nicht mit dem Anteil von Uran in Mineralwasser aus der Flasche vergleichen, wenn man vorher nicht das gemessene Gesamtvolumen festlegt (z.B. ein Liter Wasser) stellt.1

Am 28.08. habe ich darauf hingewiesen, dass die gemessene Dampfmenge des „L’INC“ unbekannt ist und so konnte ich die Ergebnisse nur mit den 280ml Rauch einer Zigarette

Chem. VerbindungL'INC EZigarette
(Aerosolmenge unbekannt)
Rauch einer Tabakzigarette
(280 ml gem. DIN ISO 3308 2000-12)
Formaldehyd0,2 - 11,3 Mikrogramm70 bis 100 Mikrogramm
Acetaldehyd0,1 bis 13,5 Mikrogramm500 bis 1000 Mikrogramm
Acrolein0,1 bis 4,4 Mikrogramm60 bis 100 Mikrogramm

bzw. den für Arzneimittel hohen „USP-Standards“, welche die zulässige Tagesdosis an Stoffen in Inhalationsarzneimitteln angeben, vergleichen

Chem. ElementL'INC EZigaretteUSP-Standards
Chrom0,001 bis 0,0067 Mikrogramm
25 Mikrogramm
Nickel0,0002 bis 0,012 Mikrogramm1,5 Mikrogramm

Neue Hintergründe

Wie es aussieht, ist jetzt das Untersuchungsprotokoll des „L’INC“ geleakt worden. Der Seite MODINFRANCE wurde das Protokoll zugespielt und dieses ist im Detail sehr interessant.2

Jetzt können wir zusammen mit den bisherigen Angaben den „L’INC“ die gemessene Dampfmenge rekonstruieren.3

Das Untersuchungsprotokoll zeigt auf, dass die verwendete Maschine 15 Züge à 3 Sekunden mit einer konstanten Durchflussrate von ca. 950ml pro Minute machte und dann die Gesamtmenge untersucht wurde. Die Untersuchungsergebnisse dieser Gesamtmenge wurden letztendlich veröffentlicht.

Was sagt uns das?

Jetzt können wir endlich das Ergebnis auf eine stabile Basis stellen, da wir jetzt wissen, dass die Maschine mit einer Durchflussrate von

950ml pro Minute

an der EZigarette gezogen hat. Wenn wir diese 950ml durch 60 teilen, erhalten wir die Durchflussrate pro Sekunde:

950ml pro Minute / 60 = 15,83ml pro Sekunde.

Da wir weiterhin wissen, dass die Maschine 15 mal für 3 Sekunden an der EZigarette gezogen hat, können wir jetzt das Gesamtvolumen ausrechnen:

15,83ml pro Sekunde * 3 = 47,5ml pro 3 Sekunden * 15 Züge = 712,5 ml Gesamtmenge Dampf.

Da ich weiter oben das Untersuchungsergebnis mit 280 ml Tabakzigarettenrauch verglichen habe, passt das ganze nicht – Wir müssen also das ganze auf ein identisches Gesamtvolumen herunterrechnen. Da das „L’INC“ knapp die 2,5fache Menge an Dampf untersucht hat, müssen wir die Messwerte des „L’INC“ durch 2,5 teilen. Wenn ich diesmal die USP-Standards beiseite lasse und nur auf die Menge der Schadstoffe im Tabakrauch konzentriere kommen dabei folgende Werte heraus:

Chem. Verbindung/Element
Durch L'INC gefundene Menge in 712ml Dampf
Durch L'INC gefundene Menge in 280ml DampfRauch einer Tabakzigarette (280ml)
Formaldehyd (Mikrogramm)0,2 bis 11,30,08 – 4,570 bis 100
Acetaldehyd (Mikrogramm)0,1 bis 13,50,04 – 5,4500 bis 1000
Acrolein (Mikrogramm)0,1 bis 4,40,04 – 1,7660 bis 100
Nickel (Nanogramm)0,2 bis 120,08 – 4,8620 bis 1030
Chrom (Nanogramm)1 bis 6,70,4 – 2,64

Was wiederum bedeutet, dass das „L’INC“ in den getesteten EZigaretten bis zu

  • 875 mal weniger Formaldehyd bei der EZigarette gemessen hat als in der vergleichbaren Menge Rauch einer Tabakzigarette vorkommt.
  • 12500 mal weniger Acetaldehyd bei der EZigarette gemessen hat als in der vergleichbaren Menge Rauch einer Tabakzigarette vorkommt.
  • 1500 mal weniger Acrolein bei der EZigarette gemessen hat als in der vergleichbaren Menge Rauch einer Tabakzigarette vorkommt.
  • 7750 mal weniger Nickel bei der EZigarette gemessen hat als in der vergleichbaren Menge Rauch einer Tabakzigarette vorkommt.
  • 10 mal weniger Chrom bei der EZigarette gemessen hat als in der vergleichbaren Menge Rauch einer Tabakzigarette vorkommt.
  • Keine der anderen 9600 chem. Verbindungen die man bis dato im Tabakrauch identifzieren konnte, in der EZigarette gefunden wurde.4

Ob diese Kleinstmengen von Formaldehyd, Acetaldehyd, Acrolein, Nickel und Chrom Auswirkungen auf den Körper haben, darf stark bezweifelt werden. Man muss hier nur auf die höchstmögliche Tagesdosis bestimmter Stoffe in den Arzneimittelstandards schauen. Dort wird z.B. für Nickel die 312 bis 18750fache und für Chrom die 9615 bis 62500fache Menge als maximale Tagesdosis in Inhalationsarzneimitteln angegeben und kann damit als unbedenklich angesehen werden.

Durch die präzisieren Angaben über die Dampfmenge wurde nochmal die gefundene Menge der chem. Elemente/Verbindungen reduziert.

Und darum nochmal meine Frage: Warum will das „L’INC“ scheinbar mit einer leicht zu durchschauenden Verschleierungstaktik eine Gefährlichkeit konstruieren, die nicht gegeben ist?

Rursus

Vielen Dank an das ERF für die entsprechenden Hinweise und Informationen.


  1. Frontal 21 (ZDF): Uran in unserem Trinkwasser 

  2. modinfrance.wordpress.com: Le protocole de 60 millions de consommateurs 

  3. 60millions-mag.com: Cigarette électronique : les 7 questions que vous vous posez 

  4. “Alan Rodgman; Thomas A. Perfetti: The Chemical Components of Tobacco and Tobacco Smoke, Second Edition” 

Comments

  1. Wie immer super recherchiert!
    Danke für die Infos.

    Tjaaaa…warum wollen die verschleiern:
    -Vielleicht um hervorzuheben, dass eine E-Zigarette „kein unbedenkliches Rauchentwöhnungsmittel“ ist (womit sie ja Recht haben…unbedenklich ist nicht mal Mineralwasser „g“)
    -Vielleicht um vom Nikotin abzulenken…das wissenschaftlich erwiesen (nach heutigem Stand der Wissenschaft) keinerlei schwere gesundheitliche Folgen hat (vorausgesetzt ein gesunder Erwachsener wie bei Genussmitteln üblich, in normal konsumierten Mengen).

    Man hat sich ja nun weltweit jahrzehntelang solche Mühe gegeben, das „Nervengift Nikotin“ als tödliche Droge hinzustellen, welche „so süchtig macht wie Kokain und Heroin“ (was bei Nikotin ohne Tabak NICHT stimmt!).
    Da darf es einfach nicht sein, dass ein paar freche Raucher (=Nikotinkonsumenten), die auf einmal das Nikotin in „saubererer Form“ mit Dampf statt Rauch dauerhaft konsumieren möchten, dieses feste Weltbild des bösen Nikotins zerstören!
    Nenene das kann nich sein!
    Also zerrt man alles in die Medien, was auch nur annährend gefährlich klingt-)

  2. Da wurde wahrscheinlich in den entsprechenden Amtsstuben der schwarze Peter mal woanders hingeschickt, weil Pöla diesmal die Annahme verweigert hat. Sieht doch auch besser aus, wenn nicht nur immer das DKFZ involviert ist. Vielleicht sollten sie ja mal eine chinesische Studie präsentieren, um für dich den Schwierigkeitsgrad zu erhöhen. 🙂

  3. Wie immer sauber recherchiert und auf den Punkt gebracht! Das ist alles ein Riesenskandal langsam. Schade, dass die Medien scheinbar immer auf den Zug der „dunklen Seite“ aufspringen. Das wäre mal ein spannendes Thema für Monitor etc….

    Schickst Du Deine Recherchen und Blogposts auch an die entsprechenden Tellen der Politik? De müssen unbedingt einer noch breiteren Öffentlichkeit bekannt gemacht werden!

    Hoffentlich werden alle Dokumente außerdem irgendwo gesammelt und gespeichert, falls dann doch mal Prozesse und Klagen notwendig werden sollten.

    Weiter so, Rursus!

    LG
    Chris

  4. Guter Artikel.

    Wenn man nun bedenkt das eine e-Zig keinen Nebenstromrauch produziert und ca 90% des Formaldehyd vom menschlichen Körper resorbiert und verstoffwechselt wird, kann die Raumluft wohl keinerlei Belastung mit Formaldehyd aufweisen. Oder wurde das Formaldehyd von der Maschine etwa auch verstoffwechselt und, oder die Werte herausgerechnet? 😉

    Gruß und Vape on
    Daniel

  5. Gorilla im Nebel
    2. September 2013 - 20:19

    @Rursus
    Auf Tageblatt Online heißt es:

    „Laut „60 Millions de consommateurs“, enthielt der E-Zigaretten-Dampf ebenfalls gesundheitsschädliche Metalle wie Blei, Cadmium, Aluminium, Chrom, Nickel, Zink und Zinn.“
    http://www.tageblatt.lu/nachrichten/welt/story/E-Zigarette–Nicht-nur-hei–e-Luft-28056893

    Weiß man schon etwas darüber, welche Werte bei den anderen Metallen (neben denen von Chrom und Nickel) gemessen wurden? In der nachfolgenden Tabelle, auf die sich der Artikel offensichtlich bezieht, steht nur etwas von „traces de métaux“ (Spuren von Metallen):
    http://www.ma-cigarette.fr/wp-content/uploads/2013/08/page2.png

    Darüberhinaus steht im Text:
    „C`est le cas surtout de Cigartex qui libère autant de nickel et de chrome qu´une cigarette conventionelle, ainsi que du cadmium, en quantité toutefois bien moindre que dans la fumée de tabac, mais aussi du plomb et de l`aluminium, tous deux en quantité significative.“

    Auf deutsch:
    „Das ist insbesondere bei Cigartex der Fall, die soviel Nickel und Chrom freisetzt wie eine herkömmliche Zigarette, sowie Cadmium in viel kleinerer Menge als im Tabakrauch, aber auch Blei und Aluminium – beide in signifikanter Menge.“
    (Übersetzung ohne Garantie auf Richtigkeit.)

    • Tja. Auf dieser Seite schreibt „60 Millions…“ nur von den hier angegebenen Elementen/Verbindungen. Es könnte sein, dass im dem Zeitungsartikel noch mehr steht aber dieser liegt mir nicht vor.

      Was jedoch eine Lüge ist, dass das Magazin etwas von „soviel Nickel und Chrom wie eine hermömmliche Zigarette“ schreibt – Das ist nämlich nachweislich nicht so!

  6. hoffe Herr Lozenz und Frau Pöschke Langer und Frau Mc Avan haben diese Seite auch zur Kenntniss bekommen, gelesen und verstanden

    • Frau Dr. Pötschke-Langer und Herr Florenz kennen diese Seite – Frau McAvan jedoch nicht (sie kann, soweit ich weiß, kein deutsch).

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