Das BfR versucht es mal wieder mit Politik

Das Bundesinstitut für Risikobewertung (BfR) hat als Aufgabe diverse offizielle Stellen als Ratgeber im Sinne des Verbraucherschutzes zu beraten.1 Normalerweise macht das dabei auch „einen guten Job“. So hat da BfR zum Beispiel zu Ostern 2012 relativ schnell Entwarnung wegen etwaiger Salmonellen in Eiern gegeben.2 Weiterhin im November 2012 aufgrund einer Zeitungsmeldung über Mineralölbestandteilen in Schokoladen aus Adventskalendern sehr schnell und fundiert „Entwarnung“ gegeben.3

Bei EZigaretten scheint das BfR jedoch den ein oder anderen Bock zu schießen und empfahl z.B. im Mai 2012 ohne irgendwelche gesicherten Daten, dass EZigaretten unter das Nichtraucherschutzgesetz fallen sollten. Und das obwohl

  • das BfR eigentlich wissen müsste, dass die Nichtraucherschutzgesetze die verbrannten Pflanzenteile von Tabakrauch und damit nicht Dampf zum Inhalt haben.
  • das BfR sich in seiner Empfehlung auf zum Teil auf an den Haaren herbeigezogenen Argumenten und Studien bezieht.4

Eigentlich war die Dampferwelt nach einem Meeting der Interessengemeinschaft E-Dampfen mit dem BfR im November 2012 beruhigt, da dass BfR seinerzeit signalisierte, dass man in Zukunft von einen konstruktiven und fundierten Ausstausch ausgehen könne und damit solche Überdramatisierungen nicht mehr vorkommen würden.5

Aber weit gefehlt…

Im Rahmen eines Interviews mit der Zeitung „Der Tagesspiegel“ wurde ein Biochemiker vom BfR, Herr Henkler, befragt was er denn so von der EZigarette hält.6

Link zu dem Artikel: Der Tagesspiegel: Weniger gefährlich als Zigaretten

Dabei sind ein paar Dinge zu Tage getreten, von denen ich dachte, dass sie eigentlich nie wieder auftauchen würden.
Nicht, weil ich diese verschweigen bzw. unterdrücken möchte…. Nein – Sondern, weil sie einfach nicht richtig, falsch oder einfach ausgedrückt: „an den Haaren herbeigezogen sind“. Dabei geht Herr Henkler sowohl auf Inhaltsstoffe, Regelungen für Genussmittel als auch die Einstufung als Arzneimittel ein.

Inhaltsstoffe
So antwortet Herr Henkler auf der einen Seite völlig korrekt, dass in dem Dampf die weitgehend ungefährlichen Stoffe Propylenglycol und Glycerin sind aber wie er andererseits darauf hinweist, dass in einigen Liquids auch das Frostschutzmittel Ethylenglykol oder gar Zusatzstoffe wie Vitamine oder Appetitzügler enthalten sei, hat mich fast dazu gebracht den Schluck Kaffee (welchen ich zu dem Zeitpunkt im Mund hatte) in Richtung Monitor zu „spotzen“.

So wurde z.B. der Stoff „Ethylenglykol“ in den letzten 6 Jahren bisher nur bei einer einzigen Untersuchung von Liquiden erwähnt.
Die betreffende Untersuchung ist der berühmt-berüchtigte Bericht des FDA „Evaluation of e-cigarettes“ von 2009.7 Dieser wird immer wieder dann von einigen Stellen herangezogen, wenn man das Haar in der Suppe finden und vor allem präsentieren möchte. So wird immer wieder gerne davon berichtet, dass das FDA in einigen Liquids von EZigaretten sogenannte „Krebserregende Nitrosamine“ gefunden hat. Nur leider wird immer wieder vergessen zu erwähnen, dass die gefundene Menge ca. 40 mal höher in Nikotinpflaster vorkommt und sogar 15.000 mal höher in Tabakzigaretten.

Ich habe mir 2012 mal die Mühe gemacht und ausgerechnet, wie lange ein EZigarettenkonsument (Dampfer) das betreffende Liquid verdampfen und inahlieren müsste, um auf die Gesamtmenge von Nitrosaminen in einer Tabakzigarette zu kommen: Ein Dampfer müsste demnach über 8 Jahre lang, jeden Tag 5ml Liquid verdampfen und inhalieren… Und hätte immer noch nicht die Anzahl von Nitrosaminen aufgenommen, die in EINER Tabakzigarette enthalten sind.8

Auch für dieses Interview wurde scheinbar wieder der alte FDA-Bericht „Evaluation of e-cigarettes“ hervorgekramt – und wieder einmal wurden Begriffe aus dem Zusammenhang gerissen.

Von „Ethylenglykol“ steht in dem gesamten Untersuchungsbericht nämlich nur eins: Die FDA hat die Proben auf Ethylenglykol untersuchen lassen – Aber gefunden, haben sie keines.

Was das FDA gefunden hatte, war der Stoff „Diethylenglykol“ – Diesen jedoch in einer Kleinstmenge und vor allem nur in einer von insgesamt 40 Proben. So das man davon ausgehen kann, dass das eine verunreinigte Probe gewesen ist. Vor allem wenn man weiß, dass neuere und genauere Untersuchungen weder Diethylenglykol noch Ethylenglykol in den Liquids gefunden haben.9

Was die „Vitamine und Appetitzügler“ angeht, so ist es tatsächlich vorgekommen, dass Hersteller solche Stoffe in Liquids gemischt und nach Amerika verkauft haben.10 Dies ist jedoch der FDA sehr schnell aufgefallen und die betreffenden Liquids wurden umgehend eingezogen und vernichtet. Ein Einzelfall also – Nichts wovon man eine „Allgemeingültige Aussage“ konstruieren könnte, oder?

Regelungen für Genussmittel
Herr Henkler verweist drauf, dass es bei EZigaretten einen Rechtsrahmen geben müsse, der den Nikotingehalt, zuverlässige Inhaltsstoffe, Warnhinweise und techn. Parameter regelt. Nur leider vergisst der Biochemiker Henkler dabei zu erwähnen (vielleicht weiß er es auch einfach nicht), dass es solche EU-Regularien bereits gibt und diese schon länger bei der EZigarette greifen.11 OK, der Nikotingehalt wird von den genannten Rechtsrahmen nicht geregelt – Aber es gibt auch keinen Rechtsrahmen für den Höchstgehalt von Koffein in Energydrinks oder Alkohol bei z.B. Branntwein (z.B. fällt 96%iger Branntwein unter die Branntweinsteuer und ist nicht verboten oder gar als Arzneimittel eingestuft12 ).
Was mich dann auch schon zum letzten Punkt bringt:

Einstufung als Arzneimittel
Der Biochemiker Henkler spricht sich im Namen des BfR dafür aus, dass EZigaretten besser in Apotheken angeboten werden sollten, da angeblich nur so ein hoher Standard gewärleistet und sichergestellt wäre, dass Kinder mit den EZigaretten keine „Einstiegsdroge“ zu Tabakzigaretten haben.

Tja Herr Henkler… Ein hoher Standard wird bereits durch die schon hier angesprochenen EU-Richtlinien für Genussmittel sicher gestellt. Und was die „Einstiegsdroge für Kinder“ angeht: In den letzten 12 Monaten wurden einige Studien in dieser Richtung veröffentlicht. In KEINER Studie wurde davon berichtet, dass Nichtrauchende Jugendliche durch die EZigarette zur Tabakzigarette gekommen sind.
Im Gegenteil: Die Jugendlichen, welche die EZigarette bereits einmal ausprobiert hatten – Waren mehrheitlich Raucher!13

Herr Henkler stellt am Anfang des Interview klar, dass er die EZigarette für weniger gefährlich als die normale Tabakzigarette hält – Will aber das erheblich unschädlichere Produkt in der Apotheke sehen, während die viel schädlichere Tabakzigarette weiterhin an jeder Strassenecke zu bekommen ist…

Das macht natürlich Sinn!

Genau so viel Sinn, wie ein Biochemiker sich im Namen des BfR dafür stark macht, die EZigarette als Arzneimittel einzustufen.

Was war noch mal die Aufgabe des BfR? Soweit ich weiß, gehört „Rechtliche Einstufung von Arzneimitteln“ nicht zu der Liste und vor allem nicht zum Kompetenzbereich des Bundesinstitut für Risikobwertung. Das BfR hat in der Vergangenheit bewiesen, dass sie genau einschätzen können, ob ein Vorfall bei einem Produkt ein Einzelfall oder generell vorkommt – Wie es auch gleichzeitig bewiesen hat, dass es den Unterschied zwischen „Kleinstmenge“ und „Bedenklich“ kennt (die Ostereier bzw. Weihnachtskalendermeldungen sprechen da eine deutliche Sprache).

Warum handelt nun das BfR gerade bei der EZigarette nicht nach seinen bisherigen hohen Standards?

 

Kaffee schlürfend

Rursus


  1. Wikipedia: BfR 

  2. BfR: Ausgewählte Fragen und Antworten zu Ostereiern  

  3. BfR: Fragen und Antworten zu Mineralölbestandteilen in Schokolade aus Adventskalendern und anderen Lebensmitteln  

  4. Rursus: BfR empfiehlt, das Rauchen von E-Zigaretten in Nichtraucherzonen zu untersagen 

  5. IG-ED: Meeting beim Bundesinstitut für Risikobewertung 

  6. Der Tagesspiegel: Weniger gefährlich als Zigaretten 

  7. FDA: Evaluation of e-cigarettes 

  8. Rursus: FDA-Studie im Detail 

  9. J-F. Etter et al.: Analysis of refill liquids for electronic cigarettes, Addiction (23. Mai 2013), PMID 23701634 

  10. Hadwiger et al: Identification of amino-tadalafil and rimonabant in electronic cigarette products using high pressure liquid chromatography with diode array and tandem mass spectrometric detection 

  11. Rursus: Wenn die Einstufung der EZigarette als Arzneimittel die Lösung ist – was war dann die Frage? 

  12. Wikipedia: Alkoholische Gärung 

  13. Rursus: Studien beweisen: EZigaretten sind für Jugendliche Nichtraucher nicht interessant!  

Comments

  1. Hervorragend recherchiert und analysiert wie immer, herzlichen Dank. Wie tief das DKFZ und BfR gesunken sind, um jetzt selbst die B-Mannschaft blosszustellen——————priceless

  2. Nur eine kleine Anmerkung:

    Es gibt tatsächlich eine gesetzlich geregelte Höchstmenge für Koffein in Energydrinks, sie liegt bei 33 mg/100 ml.
    Im übrigen ziemlich lächerlich, in jedem Kaffee ist wesentlich mehr drin. Wer sich also aufputschen möchte, muss sich seine Energydrinks im Ausland bestellen.
    Vielleicht mag da der eine oder andere gewisse Parallelen sehen^^

    Grüße

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