Das konnte man vorher nicht wissen, oder?
Im Oktober 2011 hatte ich knapp 25 Jahre lang geraucht und war bei einem „Tagesverbrauch“ von bis zu 75 Zigaretten angekommen. Obwohl es mir Gesundheitlich immer noch gut ging (das Deutsche Sportabzeiche lege ich jedes Jahr ab) war das doch eine Zahl die mir zu Denken gab.
Und so kam es, dass ich einem Kollegen interessiert zuhörte, der so einen „seltsamen Kugelschreiber“ hatte, an welchen er regelmäßig nuckelte. Nach einer kurzen Recherche im Internet war klar: Eine EZigarette könnte mir helfen meinen Tabakkonsum zu minimieren – Ich kaufte mir am 17. Oktober 2011 für knapp 80 Euro eine EZigarette mit Liquiden…
Und habe seitdem keine einzige Tabakzigarette mehr geraucht!
„Das konnte man vorher nicht wissen“ oder „Nachher ist man immer schlauer“, heißt es… Nur ist es leider so, dass beim Thema „EZigarette“ das „Nachher“ immer das „Vorher“ zu sein scheint! Die Geschichte der EZigarette ist nämlich eine Geschichte von Wiederholungen…
Und so wie es 2011/2012 in NRW abgelaufen ist, scheint sich die Geschichte zur Zeit in der EU nochmal abzuspielen. Das nehme ich zum Anlass, um die Geschichte um die Verbotsversuche der EZigarette in NRW aufzuschreiben…
9. Deutsche Konferenz Tabakkontrolle
Als öffentlichen Startschuss kann man den 30.11.2011 ansehen. An diesem Tag startete die für zwei Tage angesetzte „9. Deutsche Konferenz Tabakkontrolle“ in Heidelberg. Diese Konferenz wird alljährlich von der Leiterin der Stabstelle Krebsprävention und des WHO-Kollaborationszentrums für Tabakkontrolle (jeweils Abteilungen des DKFZ), Frau Dr. Pötschke-langer veranstaltet und unter anderem war auch Frau Bredehorst, Staatssekretärin im Ministerium für Gesundheit, Emanzipation, Pflege und Alter (MGEPA) des Landes Nordrhein-Westfalen, anwesend. Da das Land NRW vorhatte sein Nichtraucherschutzgesetz 2012 zu erneuern, referierte Frau Bredehorst auf der Konferenz über die zu der Zeit stattfindende politische Diskussion.
Am zweiten Tag der Konferenz wurde laut Programmheft erstmals die EZigarette thematisiert. In dem Vortrag „Die E-Zigarette – ein Produkt zwischen Tabakerzeugnis und Arzneimittel“ von Frau Dr. Katrin Schaller wurde festgestellt, dass die EZigarette kein Tabakprodukt ist und bei dem verdampfen der aromatisierten Lösung (Liquid) durch die fehlende Verbrennung keine giftigen Verbrennungsprodukte entstehen.
Weiter wurde darauf verwiesen, dass die EZigarette nicht von der Tabakindustrie entwickelt wurde. Das war es dann aber auch schon mit den positiven Informationen – Den Rest der Präsentation kann man getrost zusammenfassen mit „Scaremongering – Angstmacherei“!
So wurde in der Präsentation explizit darauf hingewiesen, dass von der amerikanischen Gesundheitsbehörde geringen Mengen an kanzerogenen Tabakspezifischen Nitrosaminen nachgewiesen hat. Völlig verschwiegen wurde dabei, dass diese „geringen Mengen“, derart gering waren, dass die FDA noch nicht einmal sagen konnte wie viele „geringe Mengen“ eigentlich sind.
Der FDA war es in der Untersuchung nur Möglich zu sagen „da sind welche vorhanden“. Wenn man hier vom ungünstigsten Fall ausgehen und die untere Nachweisgrenze als „gefundene Menge“ nehmen würde, dann wäre die Menge
- bis zu 40 mal weniger Nitrosamine enthalten als ein Nicotinkaugummi oder Nicotinpflaster.
- bis zu 15.000 mal weniger Nitrosamine als EINE Zigarette enthalten.
- halb so viele Nitrosamine enthalten, wie in einem Liter Bier noch als unbedenklich gilt
- so gering, dass ein EZigarettenkonsument über acht Jahre lang, jeden Tag 5ml von dem betreffenden Liquid inhalieren könnte und hätte dann immer noch nicht den Nitrosaminegehalt einer Tabakzigarette aufgenommen.
Letztendlich waren es wohl die Hinweise in der Präsentation von Frau Dr. Schaller, dass
- in den Liquiden Nikotin enthalten,
- sie für Jugendliche attraktiv sei und
- dass die EZigarette damit beworben wird, dass man „überall Rauchen“ kann und
- „kein Passivrauchen“ möglich ist,
welche die NRW-Staatssekretärin Frau Bredehorst die Ohren spitzen ließ – Immerhin war Sie ja zum Thema „Nichtrauchschutz“ angereist…
„Glücklicherweise“ für Frau Bredehorst, wurde im weiteren Verlauf der Präsentation auch dargelegt, wie man die EZigarette am besten vom Markt verbieten regulieren könnte: Es wurde darauf verwiesen, dass das Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte (BfArM) die EZigarette als Arzneimittel bewerte, da das enthaltene Nikotin pharmakologisch wirke.
Seltsam an diesem Hinweis ist nur: Die Fachapothekerin für Arzneimittelinformationen des BfArM hat am 28.05.2009 in einer Stellungnahme per EMail noch etwas völlig anderes geschrieben:
- Elektrische Zigaretten, die nicht zur Ersatztherapie und Raucherentwöhnung angewendet werden sollen und die kein Nicotin enthalten, sind aus Sicht des Bundesinstituts für Arzneimittel und Medizinprodukte nicht als Arzneimittel einzustufen.
- Bei Nicotin handelt es sich um eine pharmakologisch wirksame Substanz […] Hauptkriterium für die Einstufung als Funktionsarzneimittel ist sicherlich die pharmakologische Wirkung des Produktes. Nicotin als pharmakologisch wirkender Stoff stellt alleine noch kein Arzneimittel dar.
Siehe auch: Was die EZigarette nicht ist – Präsentationsarzneimittel / Funktionsarzneimittel
Nichtsdestotrotz: Dies wurde natürlich auf der Konferenz nicht erzählt, sondern dass das BfArM die EZigarette als Arzneimittel einstuft – Und das war (so unglaublich es klingt) sogar wahr! Am 22.07.2009 hat nämlich Frau Dr. Kerstin Stephan vom BfArM im Rahmen eines Gerichtsverfahren eine einzelne EZigarette ob der pharmakologischen Wirkung als Arzneimittel eingestuft.
(Und das, obwohl Frau Stephan knapp vier Wochen zuvor bei einem Vortrag in Bonn noch gesagt hat: „eine pharmakologische Wirkung wird als therapeutische Wirkung interpretiert (eine toxische Wirkung wird nicht als (negative) pharmakologische Wirkung ausgelegt.“ Sie wusste also ganz genau, dass die „therapeutische Wirkung“ – Also „Heilung“ – im Mittelpunkt der Arzneimitteldefinition steht!)
Nun ja.. Was zählt ist: Das BfArM hatte bereits einmal eine EZigarette vor Gericht als Arzneimittel eingestuft und somit konnte in dem DKFZ-Vortrag auch behauptet werden:
Sie wurde als Arzneimittel eingestuft und sollte entsprechend behandelt werden
Nordrhein-Westfalen
Nachdem Frau Bredehorst wieder nach NRW zurückgekehrt war muss sie, wie die nachfolgenden Ereigenisse aufzeigen, dort Bericht erstattet haben. Das MGEPA hat höchstwahrscheinlich unter anderem Rat bei der Fachanwältin für Medizinrecht Dr. Prütting eingeholt und stimmte sein weiteres Vorgehen intern ab – Holte sogar ein Rechtsgutachten bei dem Rechtsanwalt und Fachanwalt für Verwaltungsrecht und Medizinrecht Prof. Dr. Franz-Joset Dahm darüber ein, ob der Gebrauch der EZigarette unter das NRSG NRW unterfällt. Am 16.12.2011 lies das MGEPA NRW die „Medienbombe platzen“ und verkündete per Pressemitteilung:
Ministerin Steffens warnt vor Verkauf von illegalen E-Zigaretten: Geschäftsgründungen sind riskant – Gesundheitsschäden zu befürchten
In dieser PM vom MGEPA wurde behauptet, dass die EZigarette ein Arzneimittel sei und als solches nicht ohne Arzneimittelzulassung verkauft werden dürfe und das die gesundheitlichen Risiken für Dritte, Nutzerinnen und Nutzer noch nicht geklärt sein sollen und die EZigarette damit bedenklich sei.
Ebenfalls am 16.12.2011 sendete Frau Dr. Prütting ein Schreiben an die Bezirksregierung Arnsberg, Detmold, Düsseldorf, Köln, Münster, die Kreise und kreisfreien Städte und die Apothekerkammern Nordrhein und Westfalen-Lippe. Inhalt dieses Schreiben war der Hinweis, dass Liquids als Funktionsarzneimittel und EZigaretten als Arzneimittelapplikatoren den arzneimittelrechtlichen Regelungen unterliegen.
Was dann folgte, kann man ruhigen Gewissens als „Posse“ bezeichnen:
EZigarettennutzer kontaktierten die Bezirkungsregierungen und auch einige Apotheker und informierten diese über die Fallstricke des von Frau Dr. Prütting herausgegebenen Erlasses vom 16.12.2011 und diese taten das, was man in so einem Fall am besten macht: Sie taten gar nichts und warteten erstmal ab!
Trotzdem gab es einige Stellen, die nicht von den Nutzern informiert werden konnten und so kam es in NRW zu Hausdurchsuchungen bei EZigarettenhändlern und man drohte auch mit Geld und Gefängnisstrafen sollten weiterhin EZigaretten und Liquide verkauft werden. Fortlaufend wurde die Öffentlichkeit und die offiziellen Stellen von den EZigarettenhändlern und Nutzern informiert – es half nichts: Das MPEGA bzw. Frau Ministerin Steffens blieb dabei: EZigaretten sind Arzneimittel und gefährlich und unterliegen dem Nichtrauchschutzgesetz!
Selbst als der renomierte Sprecher der Forschungsstelle für Pharmarecht an der Philipss-Universität Marburg Herr Prof. Dr. Voit am 16.01.2012 in der „Legal Tribune“ einen Artikel veröffentlichte in dem er (überraschend deutlich) schrieb, dass EZigaretten keine Funktionsarzneimittel seien und die Absicht diese als Arzneimittel einzustufen als „Verbot durch die Hintertür“ bezeichnete – änderte das MGEPA seine Vorgehensweise nicht und behauptete weiter, dass EZigaretten Arzneimittel und gefährlich sind und unter das Nichtrauchschutzgesetz fallen.
Ebenfalls am 16.01.2012 urteilte das Verwaltungsgerichts Düsseldorf und gab dem MGEPA damit quasi „Rückendeckung“: Ein Händler hatte unter anderem gegen die Behauptung geklagt, dass EZigaretten Funktionsarzneimittel seien und unterlag in der ersten Instanz. Das Gericht begründete die Ablehung der Klage damit, dass die Arzneimittelbehauptung „nicht ersichtlich abwegig“ sei und Frau Steffens als Ministerin das Recht habe zu warnen.
Eine weitere Bestätigung seiner Position sah das MGEPA in einer Antwort der Bundesregierung auf eine „Kleine Anfrage“ der Fraktion DIE LINKE vom 29.02.2012. In dieser Antwort der Bundesregierung bezüglich des Themas „EZigarette und Nichtraucherschutzgesetz“ steht:
Die Bundesregierung vertritt die Auffassung, dass elektronische Zigaretten
grundsätzlich unter das Bundesnichtraucherschutzgesetz fallen, da dieses Ge-
setz ein allgemeines Rauchverbot regelt, ohne dass das Rauchen hinsichtlich des
Konsums bestimmter Produktgruppen wie z. B. Zigaretten, Zigarren, Kräuter-
zigaretten oder elektrischen Zigaretten differenziert wird.
und zum Thema „Arzneimittel“
Auf Antrag einer Landesbehörde hat das Bundesinstitut für Arzneimittel und
Medizinprodukte (BfArM) nach § 21 Absatz 4 des Arzneimittelgesetzes
(AMG) im Juli 2009 ein Produkt einer nikotinhaltigen E-Zigarette mit bundes-
weiter Verbindlichkeit als zulassungspflichtiges Fertigarzneimittel eingestuft.
Damit darf diese E-Zigarette nicht ohne vorherige Zulassung in den Verkehr
gebracht werden. Obwohl sich die Entscheidung des BfArM nur auf ein be-
stimmtes Produkt einer E-Zigarette bezieht, sind diese Grundsätze auf ver-
gleichbare Produkte nikotinhaltiger E-Zigaretten übertragbar.
Wie schon geschrieben: Diese Antworten nahm das MGEPA als Bestätigung seiner Meinung: Da sogar die Bundesregierung der „Auffassung“ war, dass die EZigarette unter das NRSG fällt war man sehr zufrieden…. Uund auch die Antwort mit der Arzneimitteleinstufung las sich in den Augen des MGEPA ausgezeichnet.
Übersehen wurden dabei nur zwei Dinge:
- Eine „Auffassung“ ist zunächst einmal eine „Meinung“ – Und eine Meinung darf jeder haben! Das bedeutet jedoch nicht dass diese Richtig ist und geltendem Recht entspricht. Und im Falle des Themas „EZigarette – Nichtraucherschutzgesetz“ ist das definitiv nicht so! In der Begründung zum Bundesnichtraucherschutzgesetz steht nähmlich eindeutig um was es den Gesetzgeber bei dem Gesetz ging: „Um den Schutz Dritter vor dem Wissenschaftlich nachgewiesenen schädlichen Tabakrauch“! (Hier bereits en detail dargelegt)
- Nur weil eine EZigarette auf Antrag einer Landesbehörde als Arzneimittel eingestuft wurde, bedeutet das nicht, dass alle EZigaretten entsprechend einzustufen sind. Arzneimittel müssen nämlich in jedem Einzelfall neu betrachtet und eingestuft werden!
Macht nichts – Im Februar 2012 war Frau Ministerin Steffens ganz ganz ganz oben – Rückendeckung von der Regierung und auch vom Gericht – was braucht man mehr, um immer wieder mit frohem Mut zu sagen: „EZigaretten sind Arzneimittel und gefährlich und unterliegen dem Nichtrauchschutzgesetz!“
Wer hoch steigt… kann tief fallen!
Im April 2012 kam es (eigentlich) zum sprichwörtlichen GAU für das MGEPA: Der Händler, welcher in der ersten Instanz vor Gericht unerlag – hatte doch tatsächlich Berufung eingelegt und das Oberverwaltungsgericht Münster hob den Urteilsspruch vom Verwaltungsgericht Düsseldorf teilweise auf. Wortwörtlich steht in dem Urteil -13 B 127/12- vom 23.04.2012:
Dem Antragsgegner wird im Wege der einstweiligen Anordnung untersagt zu äußern:
1. „der Handel und der Verkauf von E-Zigaretten sowie von liquidhaltigen Kartuschen, Kapseln oder Patronen für E-Zigaretten sind, sofern die arzneimittel- und medizinproduktrechtlichen Vorschriften nicht eingehalten werden, gesetzlich verboten. Insbesondere nikotinhaltige Liquids dürfen nur mit einer arzneimittelrechtlichen Zulassung in den Verkehr gebracht werden. Bei nikotinfreien Liquids ist im Einzelfall anhand der Inhaltsstoffe zu prüfen, ob sie arzneimittelrechtlichen Vorschriften unterliegen. Wer gegen die genannten Vorschriften des Arzneimittelgesetzes verstößt, setzt sich der Gefahr strafrechtlicher Ahndung aus“,
2. E-Zigaretten (Applikator) und E-Liquids (Kartusche) seien Funktionsarzneimittel und unterlägen den arzneimittelrechtlichen Regelungen, also dass sie ohne Zulassung nach § 21 Abs. 1 AMG nicht in den Verkehr gebracht werden dürfen,
3. E-Zigaretten unterlägen gemäß § 2 Abs. 3 MPG Medizinproduktrecht, so dass sie nur mit einer CE-Kennzeichnung gemäß § 6 Abs. 1, 2 in Verbindung mit § 7 MPV in den Verkehr gebracht werden dürfen.
Ab jetzt durfte Frau Steffens nicht mehr behaupten, dass EZigaretten Funktionsarzneimittel sind! Für jeden anderen Politiker wäre das ein wichtiges Signal gewesen und er oder sie hätte darauf entsprechend reagiert. Nicht so Frau Ministerin Steffens: Sie durfte zwar nicht mehr behaupten, dass EZigaretten Arzneimittel sind – Na und? Man kann ja immer noch sagen:
Mehrere Gerichte sind in der Vergangenheit zu dem Ergebnis gekommen, dass nikotinhaltige Liquids für E-Zigaretten als Arzneimittel einzustufen und damit zulassungspflichtig seien. Wie zum Beispiel das Landgericht Frankfurt am Main oder das Verwaltungsgericht Magdeburg.
und:
Laut EU-Gesundheitskommission stuft die Mehrzahl der EU-Mitgliedsstaaten die E-Zigarette als Arzneimittel ein. „Unabhängig von noch immer zu klärenden juristischen Fragen, halte ich es als Gesundheitsministerin für meine Pflicht, vor möglichen gesundheitlichen Gefahren durch die E-Zigarette zu warnen“
Das war sehr geschickt von Frau Steffens: Sie warnt nicht mehr höchstpersönlich, sondern sagt nur noch, dass andere warnen – Damit erfüllt sie voll und ganz die Auflagen des Oberverwaltungsgerichts und setzt trotzdem seine Meinung durch. Die Wortwahl macht´s – Das ist ganz großes politisches Kino!
Wie auch immer: Frau Ministerin Steffens behauptet ab jetzt nicht mehr, dass die EZigarette ein Funktionsarzneimittel ist – Trotzdem ist da noch die Sache mit dem Nichtraucherschutzgesetz.
Auf den Seiten des MGEPA ist bis dato zu lesen:
Das Bundesgesundheitsministerium hat vor kurzem klargestellt, dass im Bundesnichtraucherschutzgesetz ein allgemeines Rauchverbot geregelt wird ohne Unterscheidung bestimmter Produktgruppen wie Zigarren, Zigaretten oder E-Zigaretten. Dementsprechend ist auch in Nordrhein-Westfalen überall dort, wo ein gesetzliches Rauchverbot gilt, die Nutzung der E-Zigarette nicht zulässig.
Die „9. Deutsche Konferenz Tabakkontrolle“ war im November 2011 der Startschuss – und bereits da war es „Die Wortwahl macht´s!“ – und auch hier auf den Seiten des MGEPA ist es wieder genau so. Schauen Sie ruhig genauer hin… Lesen Sie sich die Sätze ein paar mal durch… Dann fällt Ihnen vielleicht auf:
- Das Bundesnichtraucherschutzgesetz gilt für Einrichtungen des Bundes und nicht für die Länder!
- Für die Länder gelten eigene Nichtrauchschutzgesetze – und obwohl einige Stellen in den Landesregierungen bemängeln, dass in Deutschland unterschiedliche Nichtraucherschutzgesetze existieren, ist es genau das was die Länder wollten, als sie die Föderalismusreform durch den Bundesrat winkten.
- Es wird nicht geschrieben, dass die EZigarette unter das NRSG von NRW fällt – interessant, oder?
Warum steht das da wohl nicht? Weil es nicht wahr wäre!
Nichtraucherschutzgesetz von NRW
Das MGEPA bzw. Frau Steffens hat in der Vergangenheit immer wieder gesagt:
das Nichtraucherschutzgesetz Nordrhein-Westfalen (NiSchG NRW) enthält keine Definition des Rauchens. Geregelt wird ein allgemeines Rauchverbot, ohne dass „Rauchen“ hinsichtlich des Konsums bestimmter Produktgruppen wie z.B. Zigaretten, Zigarren oder E-Zigaretten differenziert wird.
Und da haben wir wieder das „Die Wortwahl macht´s!“ Es stimmt nämlich, dass im NischG NRW keine Unterscheidung gemacht wird, welche Produktgruppen verboten sind. Aber… (und das ist ein sehr grosses Aber!) das Wort „Rauchen“ ist enthalten – und „Rauchen“ ist definiert! Auf den Seiten der „Gesundheitsberichterstattung des Bundes“ steht dazu:
Rauchen ist definiert als bewusstes Einatmen von Rauch verbrennender Pflanzenteile bis in die Mundhöhle oder bis in die tieferen Atemwege und Lunge.
Wenn man jetzt „tiefer gräbt“, kommt noch etwas Seltsames ans Licht: In der Begründung zum NRSG von NRW steht dazu noch etwas!
Dieses Gesetz wurde verabschiedet – wie in der Begründung nachzulesen – nachdem Wissenschaftlich bewiesen war, dass Tabakpassivrauch für Nichtraucher schädlich ist. Und in dieser Begründung steht noch etwas sehr interessantes auf Seite 7:
§ 3 Rauchverbot
Zu Absatz 1
Absatz 1 normiert ein umfassendes Rauchverbot für die genannten und näher bestimmten
Regelungsbereiche. Das Rauchverbot betrifft das Rauchen aller Tabakprodukte einschließ-
lich des Inhalierens des Tabakrauchs mittels Wasserpfeife oder des Rauchens unter Verwendung anderer Hilfsmittel.
Und da haben wir das wichtige Satzstück, dass bei der Behauptung von Frau Steffens immer fehlt: Es stimmt wenn Sie sagt, dass das Nichtraucherschutzgesetz NRW keine Definition des Rauchens enthält und es stimmt auch, dass es ein allgemeines Rauchverbot enthält, ohne dass „Rauchen“ hinsichtlich des Konsums bestimmter Produktgruppen wie z.B. Zigaretten, Zigarren oder E-Zigaretten differenziert wird..
ABER: Das Rauchverbot betrifft das Rauchen aller Tabakprodukte einschließlich des Inhalierens des Tabakrauchs mittels Wasserpfeife oder des Rauchens unter Verwendung anderer Hilfsmittel.
Hier ist eindeutig und unverkennbar der Tabak und der Tabakrauch gemeint!
Das steht so in der Begründung und nicht im Gesetz! Wie wichtig jedoch solch eine Begründung ist, zeigt ein Urteil aus Bayern:
Auch im Bayerischen Gesundheitsschutzgesetz wurde das Rauchen nicht anhand von bestimmten Produkten bzw. das Rauchen an sich definiert. Jedoch haben die Gerichte beizeiten klargestellt, was das Bayerische GSG genau abdeckt. 2010 erhob der Betreiber einer Shisha-Bar Klage vor Gericht, weil ihm verboten wurde, dass in seinem Lokal Shishas benutzt werden dürfen. Er begründete seine Klage damit, dass in seinem Likal kein Tabak verbrannt, sondern nur getrocknete Früchte auf heißen Steinen erhitzt und dieses Aerosol mittels einer Wasserpfeife inhaliert werden würde.
Der Volksgerichtshof Bayern gab dieser Klage statt und begründet dies damit, dass es im Gesundheitsschutzgesetz ausschließlich darum gehe, „Dritte vor dem Passivkonsum von Tabakrauch zu schützen, da bei diesem die Schädlichkeit nachgewiesen sei“. Einer der Leitsätze des Beschlusses lautet:
24: Aus der Begründung zum Gesetzentwurf 2008 vom 10. Juli 2007 (LTDrs. 15/8603) folgt unmissverständlich, dass lediglich das Rauchen von Tabakprodukten verboten werden sollte. Bereits die Begründung des Handlungsbedarfs zum Erlass des Gesetzes verweist immer wieder auf die gesundheitlichen Gefahren des Passivrauchens durch Tabakrauch.
Wie das Beispiel Bayern zeigt, ist es sehr wohl wichtig auch in die Grundlagendokumente zu schauen – Denn nichts anderes machen die Gerichte, wenn in einem Gesetzestext keine eindeutige Definition steht: Sie schauen in die Begründung zum Gesetz!
In NRW ist da der Fall ähnlich gelagert wie in Bayern: In beiden Nichtraucherschutzgesetzen steht nichts zu Produktgruppen – In der Begründung steht dann aber eindeutig um was geht: Nichtraucherschutz durch Verbot von Passivtabakrauch! Und genau das wurde vom MGEPA NRW ignoriert, als es die EZigaretten mit Liquids dem NRSG unterstellte. Wenn man nämlich alles was Gesundheitsschädlich ist und eingeatmet werden könnte unter das NRSG fallen würde, dann wäre auf den Straßen kein einziges Auto mehr unterwegs!
Was übrigens auch durch das Eingangs erwähnte Rechtsgutachten von Prof. Dr. Franz-Josef Dahm bestätigt wird. Sie erinnern sich?
Das MGEPA hatte im Rahmen der Abstimmung für die Vorgehensweise nach der Konzerenz in Heidelberg auch ein Gutachten in Aufrag gegeben. In diesem Rechtsgutachten sollte geklärt werden, ob die EZigarette unter das NRW NRSG fällt. Prof. Dr. Franz-Josef Dahm hat das Gutachten Zeitnah und Pünktlich am 24.11.2011, und damit ein paar Wochen vor der ersten Pressemeldung des MGEPA bezüglich der EZigarette, fertig gestellt. Das Gutachten fällt eindeutig aus:
Vor dem Hintergrund der gesetzgeberischen Zielsetzung ist das Rauchverbot des NiSchG NRW nicht auf den Gebrauch einer E-Zigarette zu erstrecken.
Was dann auch der Grund sein dürfte, warum das Gutachten nach dem Empfang in einer Schublade verschwand. Erst als aufmerksame Bürger in einem Presseartikel über „die ausgegebenen Gelder für Rechtsgutachten in NRW“ darüber stolperten, dass es scheinbar ein spezielles Rechtsgutachten über die EZigarette gibt, wurde diese Information der Piratenpartei zugespielt. Die Piratenpartei fragte dann beim MGEPA an ob man das Gutachten zur Verfügung stellen könnte. Erst dann – ein Jahr nach den ganzen Vorfällen – wurde das Gutachten veröffentlicht.
Zusammenfassend:
MGEPA: Die EZigarette ist ein Arzneimittel!
Gericht: Nein, die EZigarette ist kein Arzneimittel!MGEPA: Die EZigarette fällt unter das Nichtraucherschutzgesetz!
Gutachten: Nein, die EZigarette fällt nicht unter das Nichtraucherschutzgesetz!
Hmmm… Wer hat hier wohl etwas falsch gemacht?
Das dies jedoch kein Problem für das MGEPA in NRW war, wissen wir alle: Das neue Nichtraucherschutzgesetz in NRW wurde trotzdem so verabschiedet, dass die EZigarette jetzt unter das Gesetz fällt.
Jedoch: Fällt die EZigarette mit Liquidvernebelung wirklich unter das Nichtraucherschutzgesetz von NRW? – Das ist eine Frage, die ich in einem anderen Blogpost beantworten werde….
Abschließend
Was die Überschrift über diesem Blogpost „Das konnte man vorher nicht wissen, oder?“ angeht – Das kann zumindest die EU-Kommission nicht sagen, welche zur Zeit versucht die EZigarette als Arzneimittel einzustufen.
Freundlichst,
Rursus
P.S. Vielen Dank an „sue108“, welche im April 2012 einige Lücken in dem Puzzle „Nichtraucherschutzgesetz in NRW“ schloss!
Borsti
6. April 2013 - 11:51
Weiterer Interessanter Punkt ist wäre die E-Zigarette ein Arzneimittel dürfte man die Benutzung in keinster Weise Verbieten, nichtmal mit dem Hausrecht.
Die einnahme von Medikamenten ist Gesetzlich geschützt und darf nicht verwehrt werden.
Velvet Cloud
7. April 2013 - 3:44
Vielen Dank für deine Mühe das PolitSprech zu Demaskieren, das wäre was für einen neuen Langescheidt PolitSprech-Bürger Bürger- PolitSprech 😉
Es ist kaum zu glauben und ich habe es selten erlebt das eine Sache die viele glücklich machen könnte inkl. der Nichtraucher einer so groben Hexenverbrennung unterzogen wird. Eigentlich müsste die Steffens wenn sie wirklich für den Nichtraucherschutz wäre es unterstützen und ich komme seit einem Jahr einfach nicht dahinter ob sie wirklich so blöd ist die Ergebnisse nicht zu verstehen oder was ihr wahrer Beweggrund ist. So eine Engstirnigkeit wird ja eigentlich erst mit Altersstarrsinn erkjlärt 😉
Naja sie sorgen aber dafür das sich Menschen wie Du, ich und andere Dampfer nicht klein kriegen lassen und dieses evtl. auch auf andere Bereiche übertragen und das ganze zu einem Bumerrang an Stellen werden kann den die Politiker dann bereuen könnten.
PS. es wäre schön wenn der Text erhalten bleibt wenn man vergisst die Sicherheitsabfrage zu beantworten oder der PostCommentButton erst darunter erscheint 😉
Rursus
8. April 2013 - 12:52
Mir ist das mit der Sicherheitsabfrage auch schon passiert: Da habe ich einfach im Firefoxbrowser auf „Zurück“ geklickt und der Text war noch da 😀
sue108
7. April 2013 - 12:28
Artikel II des Grundgesetzes gewährt den Bürgern das Recht auf Selbstbestimmung. Dieses wird nur eingeschränkt, wenn das selbstbestimmte Leben des Einzelnen die Leben anderer in nicht hinnehmbarer Weise einschränkt oder gar gefährdet. Als Beispiel sei Alkoholkonsum genannt. Wir dürfen saufen, so viel wir wollen, bis hin zur Alkoholvergiftung, aber wir dürfen nicht betrunken Auto fahren, weil wir dann auch andere mit in den Tod reißen können, wenn wir einen Unfall bauen.
Als Beispiel für eine Gefährdung, die von anderen im Rahmen einer funktionierenden modernen Gesellschaft hinzunehmen ist, bietet sich das Autofahren an: Autofahren verursacht giftige Abgase. Diese müssen von den Herstellern so weit wie möglich reduziert werden, und die Regierung fördert entsprechende Maßnahmen, sowie den Anreiz für Bürger, sich schadstoffärmere Autos zu kaufen. Aber man hat keine Chance, den Nachbarn zu verklagen, weil er mit seinem Auto an einem vorbeifährt und dabei schädliche Abgase ausstößt, die einzuatmen man gezwungen ist. Das muss man einfach so hinnehmen, obwohl jeder weiß, dass es gesundheitsschädlich ist.
E-Zigaretten verursachen keinen Passivdampf, und Passivrauch schon gar nicht. Daher verstieße die Begründung, Nichtraucher vor der Ausatemluft von Dampfern schützen zu müssen, gegen das Grundgesetz, wenn man Beweise dafür hätte, dass E-Zigaretten keinen Passivdampf verursachen. Es würde sogar reichen, wenn die Schadstoffwerte der Ausatemluft einfach nur unterhalb der Toleranzgrenze für Autoabgase lägen.
Und genau deshalb werden die Beweise für inexistenten Passivdampf totgeschwiegen oder geschickt umformuliert. Aus „wir haben nichts gefunden, weil nichts vorhanden ist“ wird „wir konnten nichts finden, wir können es aber nicht ausschließen“. Nichtexistenz lässt sich nur schwer beweisen.
Das NRW-Verbot wurde vorsorglich mit der „Unzumutbarkeit für Ordnungshüter“ durchgeboxt, denen es nicht möglich sein soll, bei Kontrollen eine E-Zigarette von einer Tabakzigarette zu unterscheiden.
Hier wird das Tabakwarennachahmungsgesetz sehr gefällig und fernab seiner Zweckbestimmung (Konsumenten(!)schutz) interpretiert.Das ist natürlich nur eine Alibibegründung. Jeder Depp kann diese Produkte unterscheiden, ohne einen Lehrgang zu machen.
Laien erscheint dies trotzdem plausibel – weil natürlich alles dafür getan wurde, sie glauben zu lassen, alle E-Zigaretten seien optisch wie Zigaretten gestaltet, und würden auch täuschend ähnlich riechen und glimmen.
Auch diese Vorgehensweise steht in Pötschke-Langers Broschüre über E-Zigaretten, und zwar als (sinngemäß zitiert) „weniger vielversprechender Ansatz“ (zur Vorgehensweise, mit welchen juristischen Ansätzen man versuchen kann, E-Zigaretten aus dem Verkehr zu ziehen).
Kombiniert mit dem vorher bekannten juristischen Fachgutachten kann sich das MGEPA nicht hinter der Behauptung verstecken, man habe eine juristische Auffassung vertreten, die nicht völlig abwegig ist. Das MGEPA hat eindeutig vorsätzlich wider besseres Wissen gehandelt, als es an die Kreisverwaltungen schrieb. Und genau das ist der Punkt, wo man die Strafbarkeit der Handlung beweisen kann. Ansätze für ein juristisches Vorgehen gegen das MGEPA fänden sich z.B. in unterlassener Hilfeleistung, Amtsmissbrauch, Rechtsbeugung, (Anstiftung zum) Rechtsbruch, vorsätzlicher Verfassungsbruch. Und jede Formulierung, die im NRW-NRSG zur E-Zigarette steht, gehört vom Verfassungsgericht einkassiert.
Ingolf Pärcher
7. April 2013 - 16:12
Der Punkt ist, daß zu schnell vergessen und Meinungsbildung von Leuten gemacht wird, die wir nichtmal mehr über Wahlen kontrollieren können.
Wissenschaftliche Argumente? Uninteressant!
Guck‘ doch RTL und sei glücklich!
Wir sind als nikotinsüchtige Freaks gesellschaftlich abgestempelt, der „gute“ Nikotinsüchtige kaut Nicorette, der „böse“ Nikotinsüchtige will im Innenraum rauchen und Babys töten. Meinetwegen Dampfen mit den möglichen Gefahren. Tatsächlich steht der „Böse“ meist im Orange-gelben Ghetto vor der Tür und friert sich den Hintern ab. 🙁
Der „gute“ Haushalter hat schon vor 10 Jahren alle Glühbirnen rausgeworfen, dreimal ersetzt (wieso so oft, die halten doch angeblich ewig?) und jetzt seine Kinder einer Quecksilbervergiftung ausgesetzt, weil eine Lampe im Betrieb umgefallen ist. Konnte man vorher nicht wissen, ach was? (Geklaut von Loriot und Bulb Fiction).
Die Vergessenskurve ist aufgrund des Überinformationsangebots so steil geworden, daß nur noch Basics durchdringen. Und da sind Tabak und Nikotin als böse durchgejubelt.
Das kriegt man nicht mehr mit Argumentation durch, da sind andere Dinge gelaufen, die wir nur erahnen, aber selten belegen können.